- Kultur
- Andreas Banaski
Ein Außenseiter im Anzug
»Die deutsche Jugend ist dumm und schläft weiter«: Andreas Banaski war der erste Popkultur-Polemiker, jetzt ist er gestorben
Liebe oder Hass, entweder oder, dafür oder dagegen. So tapfer dualistisch schrieb Andreas Banaski unter dem Pseudonym Kid P. vor rund 40 Jahren seine Texte in der Musikzeitschrift »Sounds«, dem Vorläufer von »Spex«, gegen den »Verständnisterror«, wie sich Diedrich Diederichsen damals ausdrückte. Er war der Redakteur, der Banaski druckte, erst in »Sounds« und dann auch in »Spex«. Doch auch er wurde in dessen Texten beleidigt. Der Hauptvorwurf lautete, er sei viel zu schlecht angezogen, um intelligent schreiben zu können. Aber das war spielerisch formuliert, voller Emphase und Witz.
Diese Texte sollten funktionieren wie eine gute Popsingle, das war damals die Maßeinheit: dreieinhalb Minuten maximal - und dann sieht man die Welt anders. Wenn eine Single das nicht vermag, dann ist sie langweilig. »Sounds« schickte Banaski zu Städtereportagen nach Hamburg, Düsseldorf und Westberlin, wo Anfang der 80er Jahre subkulturell besonders viel los war, doch Banaski fand es größtenteils nur langweilig: »Keine gute Mode in Hamburg. Nirgendwo (oder nur sehr teuer) kann man gute Sachen kaufen.«
Denn der »Verständnisterror« bezog sich nicht auf die Erwartung, dass Texte verständlich sein sollen, sondern auf den Gestus der hippiehaften Lehrer und Sozialpädagogen, die noch jede interessante Subkultur durch zu viel Okayfinden zerredet hatten. Dagegen schrieb Banaski an, ein paar Jahre bevor Maxim Biller, Wiglaf Droste, Max Goldt oder Rainald Goetz es ihm nachtaten und zu ähnlich großer polemischer Form aufliefen. Banaski war in der BRD der erste dieser neuen Schreiber und nur für sehr kurze Zeit berühmt. Jetzt ist er nach langer schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren in einem Pflegeheim in Schleswig-Holstein gestorben.
Auch in der damals neuesten Popszene war er ein Außenseiter. Der aufkommenden NDW erteilte er 1982 in »Staccato«, dem ersten Buch von Diederichsen, eine Absage: »Doch die deutsche Jugend ist dumm und schläft weiter. Und die neue deutsche Welle ist noch dümmer und arrogant und langweilig (Alle neuen Spielzeuge sind langweilig, wenn du alle neuen Knöpfe ausprobiert hast. Und an der neuen deutschen Welle gab es wirklich sehr wenig neue Knöpfe).« Und damit waren nicht Nena oder Markus gemeint, sondern genau die Untergrundbands, die auf den neuen Indie-Labels der NDW vorgearbeitet hatten.
Auch Banaski kam aus dem Punk, hatte Alfred Hilsberg bei der Organisation von Konzerten geholfen, doch er pries hierzulande die Poprevolution in Anzug und Krawatte, die Bands wie ABC, Heaven 17 oder Spandau Ballet in England wie ein großes schönes Feuerwerk abbrannten. Sie sahen nur in ihren Videos bourgeois aus, denn klar war: Ihre Anzüge waren secondhand und ihre politischen Ansichten marxistisch beeinflusst. Sie versuchten sich an einer ästhetischen Übertrumpfung der Bourgeoisie, um sie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Unglücklicherweise ist dieser politische Ansatz in Vergessenheit geraten. Die Stumpfheit der normal-blöden Rockermännlichkeit war nichts für Banaski. Er liebte nicht nur Motown-Musik und alte Screwball-Comedy-Filme, sondern auch die Ästhetik der Sowjetunion. Konnte der Kommunismus nicht so schön sein wie ein Poesiealbum? Mit aller Sehnsucht, die in einer Ausgabe der »Bravo« steckt?
Banaski war ein Arbeiterkind aus Büchen, Schleswig-Holstein, sein Vater war Eisenbahner, seine Mutter Näherin. In den 60er Jahren waren The Who seine Lieblingsband. Im Fernsehen beeindruckte ihn »Mit Schirm, Charme und Melone« und im Kino »Supermarkt« von Roland Klick und »Leichen pflastern seinen Weg« von Sergio Corbucci. Die 60er Jahre waren seine liebste Zeit, »die Epoche feinster Gesinnung, menschlichster Empörung und delikatesten Stilempfindens«, wie er später einmal schrieb. Als er 1978 mitbekam, dass es in England Punkfanzines wie »Sniffin’ Glue« geben sollte, von dem er aber nie eines in der Hand gehalten hatte, produzierte er in 20er-Auflage im Copyshop sein eigenes Heft: »Stunning Cunt«, was ein Prog-Rock-Scherz war und die musikalische Herkunftsgeschichte anzeigt, aus der man damals flüchten wollte - der Titel bezog sich auf das Album »Cunning Stunts« der Art-Rock-Band Caravan von 1975. Sein nächstes Fanzine nannte Banaski »Preiserhöhung«, darin der Merksatz: »Ständig kleine Revolutionen, immer wieder eine. Dann biste auch nicht so frustriert«.
Auf Super 8 drehte er drei Filme und er machte eine Spielzeug-Single, die man nicht abspielen konnte. Er kaufte sich eine LP aus der Ramschkiste, zerbrach sie in vier Teile, die er in ein Cover steckte. Später arbeitete er in der Schlussredaktion von »Tempo« und verwaltete nach der Auflösung dieser Zeitschrift das Archiv, das übrig geblieben war. Das ist jetzt alles leider endgültig vorbei.
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