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Das Wahlziel heißt Veränderung

Simone Oldenburg setzt mit der Linken in Mecklenburg-Vorpommern stark auf die soziale Frage

Im Nordosten ist der Landtagswahlkampf voll im Gange, mit weiteren Linke-Politikern touren Sie durch das Land. Welche Themen stellen Sie dabei ins Zentrum?

Thema Nummer eins ist die miserable Situation im Bildungsbereich unter der SPD-CDU-Regierung in Mecklenburg-Vorpommern. Die ist gerade durch Corona deutlich sichtbar geworden. Weil auf Kante genäht, bei den Schulen gespart wurde, ist uns da viel um die Ohren geflogen. Das ging auf Kosten der Qualität des Unterrichts und zu Lasten der Lehrkräfte. Die Landesregierung hat das Land blamiert. Ein großes Thema ist auch die Energiepolitik. Nicht nur, was die Ostseepipeline Nordstream 2 betrifft, sondern ebenso in Bezug auf die Kosten der Energiewende. Wenn du Windräder vor der Nase hast und dennoch die höchsten Strompreise zahlst, sinkt natürlich die Akzeptanz.

Interview

Simone Oldenburg ist Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, deren bildungspolitische Sprecherin und die Linke-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl am 26. September. Mit ihr sprach Peter Steiniger.

Das gesellschaftliche Klima ist gereizt. Wie kommt die Linke bei den Leuten in MV an?

Mit Dietmar Bartsch und Gregor Gysi hatte ich zuletzt Veranstaltungen in Zinnowitz und Sassnitz, die wie alle anderen bisher sehr gut angenommen wurden. Und bislang ist mir im Wahlkampf noch niemand blöd gekommen, auch wenn natürlich nicht alle Jubelschilder hochhalten. Wir führen vor allem sehr viele Gespräche, suchen den Dialog. Das finde ich besser, als auf großen Bühnen von oben herab die Welt zu erklären.

Ihr Land lebt stark von Tourismus und Gastronomie. Wie kann der Sektor nach Corona wieder auf die Beine kommen?

Die Situation ist erbärmlich, viele Lokale haben ganz oder teilweise geschlossen. Dabei dümpeln wir bei Tourismus, Gastronomie und Hotellerie ohnehin mit Niedriglöhnen herum, mit üblichen Jahresgehältern unter 20 000 Euro. Im Dienstleistungsgewerbe betragen sie fast das Doppelte. Deshalb wollen wir tarifgebundene Löhne und damit verhindern, dass im Oktober die Stühle hochgestellt werden. Es gäbe Möglichkeiten zur Finanzierung saisonverlängernder Maßnahmen, damit im Winter nicht alle in die Arbeitslosigkeit getrieben werden. Letztendlich brauchen wir einen sanfteren Tourismus. Die Bettenanzahl ist hier wesentlich schneller gewachsen als die Anzahl der Arbeitskräfte. Da muss sich etwas tun.

Die maritime Industrie liegt ebenfalls am Boden, doch Megayachten und Kreuzfahrtschiffe sind vielleicht auch nicht das, was die Welt braucht?

Da müssen wir uns nichts vormachen: Die Werften werden schon seit 31 Jahren immer wieder vom Land gerettet. Wir haben zu wenige Industriearbeitsplätze, vor allem zu wenige gut bezahlte. Daher brauchen wir die Werften mit ihren Zulieferern. Es geht um etwa 18 000 Beschäftigte, die zu den dreieinhalbtausend kommen, die auf den drei MV-Werften arbeiten. Wir drängen schon lange darauf, dass diese sich breiter aufstellen, neue Standbeine finden. Da müssen sie aus den Puschen kommen. »Wir haben immer nur Schiffe gebaut«, kann nicht das Motto sein.

2016 war die Linke größter Verlierer, die AfD wurde in MV zweitstärkste Kraft. Was hat Ihre Partei damals falsch gemacht?

Wir sind hart mit uns ins Gericht gegangen, haben den Kopf oben behalten und uns neu aufgestellt. Unsere Arbeit im Parlament haben wir von Wissenschaftlern der Uni Potsdam evaluieren lassen. Letztendlich, das hört sich jetzt vielleicht doof an, haben wir nichts anderes gemacht, als uns wieder stärker auf unseren Kern, das Soziale, zu besinnen. Das ist uns gut gelungen, aber auch ganz mühselig, weil man oft nur millimeterweise vorankommt. Mit dem Wählerzuspruch ist das ganz ähnlich. Von Umfrage zu Umfrage steigern wir uns um einen Prozentpunkt. Das sieht nach wenig aus und ist doch so viel. Es ist harte Arbeit, aus dem Keller herauszukommen, Menschen zu überzeugen. Gerade bei Gesundheit und Bildung, die ja Ländersache sind, sind wir gut aufgestellt, packen die richtigen Themen an. Mit Peter Ritter hat die Linke zudem einen Innenpolitiker von Format. Nur dank uns gibt es hier einen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss.

Ist die Linke nicht außerhalb von Wahlkämpfen dennoch zu wenig präsent?

Das ist ein Problem, das merken wir auch jetzt. Es fehlen Mitglieder, die Partei hat weniger Mittel, die Hauptamtlichen müssen sich um immer größere Gebiete kümmern. Auch im Bund müssen wir uns stärker klar machen, dass die Linke nicht nur urban verankert sein darf, dass ein großer Teil der Bundesrepublik aus Flächenländern wie MV besteht. Ich selbst mache auch in der Kommune, im schönen Gägelow, als stellvertretende Bürgermeisterin Politik. Das erdet und gibt Kraft.

Manuela Schwesig von der SPD scheint als Ministerpräsidentin wieder gesetzt, die Kräfteverhältnisse in MV wirken stabil. Will die Linke nach der Wahl den Platz der CDU einnehmen?

Diese SPD-CDU-Koalition hat sich aufgebraucht, eine andere ist möglich und wünschenswert, da machen wir überhaupt keinen Hehl draus. Das Wahlziel der Linken ist Veränderung. Mecklenburg-Vorpommern braucht dringend einen sozialen Schwung. Den gibt es nicht, wenn die SPD mit der CDU so weitermacht. Die Leute hier in einem der ärmeren Bundesländer brauchen soziale Verbesserungen statt konservativer Bremser. Was wir nötig haben im Land Mecklenburg-Vorpommern, das sind tausend Lehrkräfte mehr, kostenloses Mittagessen an den Schulen, ein Mindestlohn von 13 Euro und eine Ausweitung der Tarifbindung.
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