Wettlauf mit den Resistenzen

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt erstmals Malaria-Impfstoff für Kinder

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erstmals einen Malaria-Impfstoff zur Immunisierung von Kindern empfohlen. Die Freude darüber ist in Stellungnahmen der Gesundheitsexperten nicht zu überhören: WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sprach am Mittwoch sogar von einem »historischen Tag«. Die Organisation hatte zuvor erfolgreich ein Pilotprogramm abgeschlossen, bei dem der Impfstoff RTS,S (Mosquirix) seit 2019 in Ghana, Kenia und Malawi verabreicht wurde. Jetzt soll das Vakzin im subsaharischen Afrika und in anderen Regionen mit hohen oder mittleren Malaria-Ansteckungsraten zum Einsatz kommen. Kinder unter zwei Jahren sollen dann vier Impfstoffdosen erhalten.

Das Mittel war lange erwartet worden. WHO-Chef Tedros sprach von einem »Durchbruch für die Wissenschaft, die Gesundheit von Kindern und den Kampf gegen Malaria«. Es ist das erste Mal, dass die WHO einen Impfstoff gegen einen Parasiten empfiehlt. Vorhandene Impfstoffe sind ansonsten eher gegen Erreger wie Viren oder Bakterien gerichtet. Parasiten durchlaufen in ihrem Lebenszyklus verschiedene Stadien, bei denen sie sich verändern.

Bei der Malaria, deren Erreger von der Anophelesstechmücke übertragen wird, kostete es die Wissenschaft Jahrzehnte, bis der Fortpflanzungszyklus verstanden wurde und der englische Militärarzt Ronald Ross 1902 für seine Forschungen dazu den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielt. Weil der Erreger im menschlichen Körper Aufenthaltsort und Form wechselt, ist eine Zielstruktur, an der ein Vakzin andocken könnte, nicht so einfach zu finden wie etwa bei einem Virus.

Die einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium und auch das von ihnen ausgelöste Wechselfieber begleiten die Menschen seit ihren frühen Kulturen. Die uralte Plage war schon in den großen Stromtälern des Nil, von Euphrat und Tigris, von Ganges und Jangtsekiang bekannt.

Heute leben mindestens zwei Milliarden Menschen in Gebieten, in denen Malaria endemisch ist, also dauerhaft und gehäuft vorkommt. Jährlich sterben mehr als 400 000 Menschen daran, vor allem in Afrika. Die große Mehrheit dieser Todesopfer sind gerade Kinder unter fünf Jahren. Die von der Infektion verursachten Kosten liegen laut WHO allein im subsaharischen Afrika bei jährlich mehr als 12 Milliarden Dollar.

Bislang ist es nicht gelungen, in den stark betroffenen Regionen für ausreichend Prophylaxe und Therapien zu sorgen - was auch damit zu tun hat, dass es sich um eine armutsbedingte Erkrankung handelt. Ein Teil der Möglichkeiten zur Vermeidung der Infektion wie etwa Moskitonetze, Klimaanlagen oder Insektensprays sind nur kleinen Teilen der Bevölkerung zugänglich. Von der Impfung profitieren könnten laut der WHO-Bereichsleiterin für Impfstoffe, Kate O’Brien, zwei Drittel der Kinder in diesen Ländern, die nicht unter einem Bettnetz schlafen. Das Pilotprojekt für den Impfstoff, das in Ghana, Kenia und Malawi lief, konnte schwere Krankheitsverläufe um 30 Prozent reduzieren. Die Zahl zeigt, im Vergleich etwa mit den ganz neuen Impfstoffen gegen Sars-CoV-2, wie viel Forschungsarbeit für bessere Lösungen auch mit RTS.S immer noch nötig ist. Das Vakzin wurde zuerst 1987 vom britischen Pharmakonzern GSK hergestellt und wirkt gegen den Parasiten Plasmodium falciparum, den tödlichsten der fünf Parasiten-Typen, die Malaria auslösen. Es baut auf einem Impfstoff gegen das Hepatitis-B-Virus auf. Im Rahmen des Pilotprojekts wurden rund 2,3 Millionen Dosen RTS,S verabreicht.

Die Impfstoffentwicklung ist auch deshalb so wichtig, weil Ansätze zur Ausrottung der Anophelesmücke etwa durch Einsatz des Insektizids DDT starke Umweltschäden auslösten und hohe gesundheitliche Risiken für den Menschen mit sich brachten.Und etliche frühere Therapeutika, darunter Chloroqin oder Chinin, wirken gegen viele Erregerformen heute nicht mehr.

Da Moskitonetze oft der einzige Schutz gegen die Überträgermücken sind, setzten etliche internationale Organisationen in der Malariabekämpfung auf die Verteilung dieses Hilfsmittels, auch imprägnierter Varianten. Aber gegen die hierfür verwendeten Insektizide wurden ebenfalls schon Anophelesarten resistent. Damit die Schutzimpfungen jetzt in großem Umfang beginnen können, braucht es eine Menge Geld. Die Finanzierungsfrage werde »der nächste große Schritt sein«, sagte WHO-Expertin O’Brien. Dann müsse auch entschieden werden, »wo der Impfstoff am meisten nützt und wie er eingesetzt wird«.

Die öffentlich-private Impfallianz Gavi verkündete bereits, sie werde eine Finanzierung eines neuen Malaria-Impfprogramms in Subsahara-Afrika in Erwägung ziehen. Zu den Impfstoffkandidaten gegen Malaria-Erreger, an denen international geforscht wird, gehören auch mRNA-Vakzine. Im August hatte der deutsche Hersteller Biontech angekündigt, man werde Malaria- und Tuberkulose-Impfstoffe in Afrika herstellen und prüfe dazu den Aufbau nachhaltiger Produktionsmöglichkeiten. Ende 2022 sollen klinische Studien für die Vakzine beginnen.

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