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Luxemburg fördert den Marxismus
Staatliche Pressehilfe kommt auch der linken »Zeitung vum Letzebuerger Vollek« zugute
Esch sur Alzette liegt im Süden Luxemburgs, ist mit rund 36 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Hier spielte die Stahlindustrie eine bedeutende Rolle. Die Rue Zenon Bernard zieht sich in nordöstlicher Richtung durch die Stadt und unter der Hausnummer drei findet sich ein zweistöckiges klassizistisches Wohnhaus. Hier ist die Redaktion der »Zeitung vum Letzebuerger Vollek« (Zeitung des Luxemburger Volkes) untergebracht. Die Räume unterscheiden sich nicht von anderen Redaktionen: Bildschirme, Tastaturen, viel Papier - vielleicht vom Mobiliar her ein bisschen altmodisch anmutend. Und doch gibt es besonderes: Die Zeitung ist die einzige marxistische Tageszeitung Luxemburgs (gegründet 1946) und Chefredakteur Ali Ruckert ist seit 1999 auch Chef der KPL. Und die Zeitung erhält wie fast alle Medien des Landes massive staatliche Unterstützung, um die Meinungsvielfalt zu erhalten.
»Hiroshima mahnt«, ist die Schlagzeile des Blattes an diesem Tag im August, darunter »Feuerhölle am Mittelmeer« und »Israel attackiert Libanon«. Auf der Seite drei gibt es einen Bericht zu »Wohnkosten steigen schneller als Mindestlohn«, auf der Seite acht wird über Hochwasseralarm in Südtirol und der Lombardei berichtet. Sieben Redakteure arbeiten in der Rue Zenon Bernard Nr. 3 (die, nebenbei, nach einem Führer der kommunistischen Partei in den 1920er Jahren benannt ist, der 1942 in Gestapo-Haft starb) und produzieren so täglich an die zwölf Seiten. Die Auflage beträgt 4000 Exemplare, die vor allem im Abonnement verkauft werden (dieses kostet 170 Euro im Jahr). Die Zeitungssprache ist Deutsch, aber es finden sich zwischendurch auch Artikel auf Französisch oder auf Letzebuergisch.
An einem der Redaktionstische sitzt Ali Ruckert (66), ein Mann mit weißen Haaren und Schnurrbart, er steht für Beständigkeit: Neben seinen 22 Jahren als KPL-Chef ist er seit 26 Jahren auch Chefredakteur der »Zeitung vum Letzebuerger Vollek«. »Allerdings«, so betont er, »ist die Zeitung kein Parteiorgan«. Sondern sie soll eine linke Zeitung sein, die »weit über die KPL hinausreicht«. Nur ein kleiner Teil der Leser seien Parteimitglieder (über deren Zahl sich Ruckert ausschweigt). Der typische Abonnent sei zwischen 40 und 50 Jahre alt, männlich, qualifizierter Arbeiter oder Intellektueller und politisch interessiert.
Was versteht er unter einer marxistischen, linken Zeitung? »Wir schreiben da weiter, wo andere aufhören«, sagt Ali Ruckert, »für uns kommt es darauf an, herauszufinden, was steckt hinter einer Meldung«. Generell gehe es darum, den Kapitalismus infrage zu stellen. »Wir berichten fast als einzige über Aktionen in Betrieben«, so der Chefredakteur. Seit »1990 der Kapitalismus die Auseinandersetzung gewann«, seien eine ganze Reihe von Errungenschaften in den Betrieben wieder abgeschafft worden, in den vergangenen 25 Jahren befinde sich die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in Luxemburg nicht mehr in der Offensive, sondern in einem Verteidigungskampf. Und es sei schwer, da wieder herauszukommen.
Neben der Besonderheit einer marxistisch ausgerichteten Tageszeitung in einem Land, das ansonsten als eher sehr wohlhabend wahrgenommen wird (allerdings lebten 18 Prozent der Bevölkerung an der Armutsschwelle, sagt Ruckert), findet sich in der Ausgabe von diesem Tag eine weitere Besonderheit auf Seite 4: Dort informiert die Stadt Wilz (Hauptstadt der Ardennen) in einem öffentlichen »Avis au Public« auf Französisch über die Baumaßnahmen der Kommune. Und Anzeigen wie diese sind Teil einer staatlichen Förderung der Medien, von der Redakteure und Verleger in anderen europäischen Ländern nur träumen können.
Grundlage ist ein Fördergesetz von 1976, das derzeit reformiert wird. Ziel der Reform ist es, »die Medienvielfalt langfristig zu stärken und eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Presseorgane zu ermöglichen«, so das zuständige Ministerium. Luxemburg hat eine Bevölkerung von rund 626 000 Menschen, wovon fast die Hälfte Ausländer sind. In einem derart kleinen Markt können verschiedene Tageszeitungen nur durch die Förderung überleben, ansonsten käme es rasch zu Monopolbildung. Heute teilen sich fünf Tageszeitungen den Kuchen der Leser unter sich auf. Platzhirsch ist dabei das 1848 gegründete katholisch orientierte »Luxemburger Wort« (gedruckte Auflage 2018: 56 000), gefolgt vom 1913 gegründeten und sozialistisch ausgerichteten »Tageblatt« (18 000), hinzu kommen die französischen Blätter »La Quotidien« (7000) und die Gratiszeitung »L‘Essentiel« (100 000).
Das reformierte Fördergesetz sieht ausdrücklich (und damit anders als die in Deutschland angedachte Presseförderung) eine Stärkung der redaktionellen Arbeit vor. Dafür gibt es jährlich einen Grundbetrag von 200 000 Euro. Hinzu kommt für jeden festangestellten Redakteur eine jährliche Förderung von 30 000 Euro. Das Gesamtbudget der Pressehilfe liegt bei über 7 Millionen Euro. Ergänzt wird diese finanzielle Hilfe noch durch die Verpflichtung, kommunale Bekanntmachungen wie Bebauungspläne in den Tageszeitungen zu veröffentlichen. Für Chefredakteur Ali Ruckert ist klar: »Ohne diese Pressehilfe könnten wir in dieser Form so nicht erscheinen.« Dann müsste die Tageszeitung zur Wochenzeitung werden.
Anders als bisher sollen Monatszeitschriften, Gratiszeitschriften und Medien in portugiesischer und englischer Sprache auch förderberechtigt werden, um der sprachlichen Vielfalt in Luxemburg Rechnung zu tragen. Fast jeder fünfte Einwohner hat einen portugiesischen Migrationshintergrund. Die Großeltern wurden in den 1960 Jahren als sogenannte Gastarbeiter angeworben, die Wahl der Regierung fiel damals auf das katholische Portugal, man glaubte, so die Leute leichter integrieren zu können.
Die Zeitungsverlage und Herausgeber werden in dem reformierten Pressegesetz außerdem dazu ermutigt, in die Weiterbildung der Journalisten zu investieren, aktiv in der Medienbildung mitzuwirken und nach ihren publizistischen Grundsätzen zu veröffentlichen. »Die Presse ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Wir stärken die Basis von Journalismus, damit er seinem gesellschaftlichen Auftrag langfristig gerecht werden kann und die mediale Meinungsvielfalt in Luxemburg weiterhin erhalten bleibt«, erklärt der Minister für Kommunikation und Medien Xavier Bettel. In Luxemburg ist übrigens die Berufsbezeichnung »Journalist«, anders als etwa in Deutschland, gesetzlich geschützt.
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