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Respekt wäre ein Anfang
Die Konfliktregion rund um die Ukraine wird aufgerüstet - das bringt nicht mehr Sicherheit
Wenn es um das angespannte Verhältnis zwischen dem Westen sowie Russland und China geht, setzt schon mal die politische Vernunft aus. Je nach Krisenlage werden die Staatschefs Wladimir Putin und Xi Jinping als Inbegriff des Hinterhältigen dargestellt. Politik wird auf eine Person reduziert; ökonomische, geopolitische und Sicherheitsfragen schnurren auf ein düsteres Psychogramm zusammen. Banale Gut-Böse-Schemata verdrängen eine seriöse Auseinandersetzung.
Derzeit ist - vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Ukraine - Putin Mode. Schaut man in die Medien, findet man ausreichend Beispiele für dieses Muster. »Wie Putin den Westen herausfordert - und warum er damit Erfolg haben könnte«, titelte dieser Tage das »Handelsblatt«. »Plant der russische Präsident eine Blitzkrieg?«, hieß es auf dem Online-Portal news.de. »Putin, ein Schurke im Maßanzug«, ist ein »Welt«-Kommentar überschrieben. »Wie weit geht Putin?«, fragt der »Spiegel« auf seiner jüngsten Titelseite. Und schließlich die »Taz«: »Putins bester Admiral zurückgetreten«. Das ist ironisch gemeint, transportiert aber die gleiche Putin-Fixierung und illustriert am aktuellen Vorfall, wie egozentrisch oft der Blickwinkel ist.
Was ist passiert? Der deutsche Marine-Inspekteur Kay-Achim Schönbach sagte bei einer Veranstaltung in Indien ein paar Sätze, die nicht den Schablonen aus dem Auswärtigen Amt entsprechen. Man muss Schönbach nicht Recht geben, man muss schon gar nicht seine Ambitionen teilen, die Konfrontation mit China zu suchen. Aufhorchen darf man allerdings schon, wenn ein deutscher Admiral die Gerüchte über einen Angriff Russlands auf die Ukraine als Nonsens bezeichnet und sich dafür ausspricht, dem russischen Präsidenten mit Respekt zu begegnen.
Schönbach ist kein Linker, sondern nach eigenem Bekunden »radikaler römisch-katholischer Christ«, was auch immer das heißen mag. Aber solche Formulierungen, aus denen man einen Anflug von Realitätssinn ablesen könnte, reichen aus, um ihn schleunigst aus seinem Amt zu entfernen. Kann gut sein, dass der Admiral der Einzige in der deutschen Generalität ist, der so etwas laut ausspricht, aber vielleicht nicht der Einzige, der so denkt. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat, ein kluger Analytiker, sagte im Zusammenhang mit Schönbachs Rausschmiss jedenfalls, es müsse im deutschen Interesse liegen, zu einer Entspannung mit Russland zu kommen, »natürlich unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Ukraine«. Man könne nicht »immer nur von Krieg reden und nicht davon, wie ein Krieg verhindert werden kann«.
Darüber zu reden, wie ein Krieg verhindert werden kann, scheint gegenwärtig so dringend geboten wie kaum etwas anderes. Die Militärmächte führen einander in einer beängstigenden Serie globaler Großmanöver ihre grotesken Vernichtungskapazitäten vor. Natürlich macht sich ein Land wie die Ukraine Sorgen, wenn es feststellt, dass der große Nachbar erhebliche Truppen in Grenznähe zusammenzieht. Jedes Land der Welt würde das misstrauisch beobachten. Aber warum wird nicht genau so laut und eindringlich gefragt, was etwa ein US-Flugzeugträger im Mittelmeer zu suchen hat? Und weshalb spielt es in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle, dass die USA etwa 1000 Militärbasen rund um die Erde betreiben (Russland etwa 25 vor allen in einstigen Sowjetrepubliken; China eine am Horn von Afrika)? Und dass die US-Militärausgaben etwa drei Mal so hoch sind wie die chinesischen und fast zwölf Mal so hoch wie die russischen?
Wir erleben den Kampf um die Neuaufteilung der Welt, die der Westen als seinen selbstverständlichen Herrschaftsbereich betrachtet. Diese Auseinandersetzung stellt das vermeintliche Ende der Geschichte nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus in Frage. Darauf mit Methoden zu reagieren, die dem Großmachtdenken des blutigen 20. Jahrhunderts entstammen könnten - das kann in unserer komplexen, vernetzten Welt schnell ins Verderben führen. Noch mehr Waffen in der Konfliktregion aufzufahren, bringt nicht mehr Sicherheit. Nicht Bedrohung führt aus dieser Konfrontation heraus, sondern Verständigung. Das gilt für alle Konfliktparteien. Gegenseitiger Respekt wäre dafür schon mal ein guter Anfang.
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