Erdgas und Tomaten

DR. SCHMIDT ERKLÄRT DIE WELT: Christof Meueler fragt nach der Energiekrise im Gewächshaus

Erdgas und Tomaten

In den Niederlanden gibt es eine Krise bei Blumenproduzenten, weil die nicht mehr die Energiekosten für ihre Gewächshäuser bezahlen können.

Das betrifft nicht nur die Blumenproduzenten, sondern alle, die dort Landwirtschaft in Gewächshäusern betreiben.

Besteht nicht fast das halbe Land aus Gewächshäusern?

Ganz so schlimm ist es nicht, aber wenn man nachts im Anflug auf den Flughafen Amsterdam-Schiphol unter sich blickt, dann sieht man riesige erleuchtete Flächen. Dort wächst das Zeug nahezu rund um die Uhr in Gewächshäusern. Das muss erwärmt und beleuchtet werden, und das ergibt einen erheblichen Energiebedarf. Und wenn die Energiepreise sich wie 2021 bei Erdgas verdreifacht haben und du hast keinen langfristigen Vertrag, dann trifft dich natürlich der Schlag.

Das liegt doch daran, dass heute Stromhandel betrieben wird.

Pfff - Strom wurde immer schon gehandelt, Gas auch. Nur gab es früher Monopole, die auch zum Monopolpreis verkauft haben, zum Beispiel Stadtwerke. Die mussten keinen Profit machen. Je mehr aber die Energieversorgung in private Hände gerät, desto teurer wird es langfristig - trotz Wettbewerb.

Die Niederländer haben noch ein Problem: Das Erdgas aus der Nordsee wird langsam alle. Da zeigt sich, dass die ganzen schönen Debatten über Erdgasleitungen, die wir als Druckmittel benutzen würden - wollen - sollen, etwas utopisch sind.

Warum?

Jetzt klagen alle, dass wir nicht weiter südlich die Erdgas-Pipeline Nabucco durch die Türkei und die Balkanländer gebaut haben, über die die EU aserbaidschanisches Erdgas hätte beziehen können. Aber was, bitte schön, unterscheidet den Diktator in Aserbaidschan von Putin und dem Präsidenten der Türkei, wo die Erdgasleitung durchgeht? Die einen Politschurken werden eben auch so genannt, bei den anderen geschieht es bestenfalls hinter vorgehaltener Hand.

Ja, das ist nicht konsistent.

Es gibt noch eine weitere Scheinheiligkeit: Wenn man beispielsweise im Winter aus Marokko - die Konkurrenz zum Gewächshaus - Agrarprodukte importiert, dann kommen die teilweise aus einem Gebiet, das Marokko okkupiert hat: der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Da redet kein Mensch drüber. Übrigens: Der Ertrag von Tomaten in den Niederlanden liegt um den Faktor zehn über dem anderer Produzenten. Und sie brauchen dafür nur einen Bruchteil des Wassers und weniger Pestizide.

Und ihre Tomaten schmecken mittlerweile besser als vor 20 Jahren.

Die haben sich einfach an der Nachfrage orientiert. Und je reifer eine Tomate geerntet wird, desto mehr Aroma kann sie haben.

Der alte Witz, dass Jesus aus Wasser Wein gemacht hat und die Niederländer aus Wasser Tomaten, geht nicht mehr.

Auch die aromatischste Tomate besteht hauptsächlich aus Wasser.

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