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Schreiben an der Klippe
Eine Briefedition und eine Diskussionsveranstaltung geben Einblick in Leben und Denken von Gretha und Ernst Jünger
Ernst Jünger war ein unermüdlicher Briefeschreiber. Archivmeter um Archivmeter misst seine umfangreiche Korrespondenz, von der Teile in den letzten Jahren bereits veröffentlicht wurden: mit Carl Schmitt, Martin Heidegger und Gottfried Benn, um nur einige zu nennen.
Den umfangreichsten Briefwechsel stellt aber der mit seiner ersten Frau, Gretha Jünger, dar. 2000 Briefe sind es, die die beiden einander seit 1922 und bis zu ihrem Tod 1960 schrieben. Mit einem Band mit dem vielsagenden Titel »Einer der Spiegel des Anderen«, den die Literaturwissenschaftler Detlev Schöttker und Anja Keith herausgegeben haben, ist nun eine Auswahl von 350 Schriftstücken daraus veröffentlicht worden. Schon immer weckte der Kriegsenthusiast und Exponent einer so bezeichneten »konservativen Revolution« einerseits großes Interesse und andererseits - sehr zu Recht - großes Misstrauen. Einladend wirkt nicht der mögliche Einblick in das Eheleben der beiden (»Schneckchen« nannte sie ihn), vielmehr die Zeitdiagnosen, die die zwei abgeben, und die Schilderung ihrer Begegnungen mit Vertretern aus Kultur und Politik, mit denen sie verkehrten.
Jüngers Schriften, sei es seine Prosa, seine Tagebücher oder seine Korrespondenz, sind starker Tobak. Auch die reduzierte Auswahl von 350 Briefen bedeutet ein tiefes Eindringen in ein reaktionäres Weltbild. Das Berliner Literaturforum im Brecht-Haus hat unter dem Titel »Brecht, Paris und Bombenkrieg« ein dankbares Format für eine erste Annäherung angeboten: Anhand von zehn Briefen, hier gelesen von der Grande Dame des Deutschen Theaters Berlin, Barbara Schnitzler, werden die drei genannten Themen umkreist. Die Herausgeber, befragt von dem Literaturkritiker Jörg Magenau, gaben fachkundig Auskunft dazu.
Erstaunlich ist bei dieser Veranstaltung, die für die Nachwelt auch digital archiviert wurde, dass man auf jegliche Gesten der Distanzierung, die ohnehin zur Phrase verkommen sind, verzichtet hat. Dennoch mutet es merkwürdig an, wenn von dem »zutiefst humanistischen Zug« Ernst Jüngers die Rede ist.
Den bei der Veranstaltung vorgestellten Briefen, die Personen aus dem Umfeld Bertolt Brechts thematisieren - von Arnolt Bronnen und Rudolf Schlichter geht die Rede -, folgt ein Exkurs zum eigenwilligen Verhältnis von Jünger und dem Brecht-Erben Heiner Müller. Im Wesentlichen aber drehen sich Lesung und Gespräch um den Zweiten Weltkrieg, den die Eheleute fast gänzlich getrennt erlebten. Der Brief war ihr einziges Medium. Aus den Dokumenten sprechen politischer Scharfsinn, soldatische Verblendung und eine erschreckende Kenntnis über die Deportation von Juden. Ungeachtet der Reizfigur Jünger geben die Briefe aufschlussreich Zeugnis von einer Zeit und ihren Gedankenbildern.
Gretha und Ernst Jünger: Einer der Spiegel des Anderen. Briefwechsel 1922-1960. Hrsg. v. Detlev Schöttker und Anja Keith. Klett-Cotta, 720 S., geb., 42 €.
Ein Mitschnitt der Veranstaltung »Brecht, Paris und Bombenkrieg. Der Briefwechsel zwischen Gretha und Ernst Jünger« ist unter www.lfbrecht.de/mediathek veröffentlicht.
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