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Zu wenig für arme Kinder

Kindertagesstätten in Deutschland in desolater Verfassung

Die Situation in deutschen Kitas ist höchst angespannt. Nicht nur die Arbeitsbedingungen des Personals sind schlecht und dessen Belastungen hoch, teils ist auch die Ausstattung mangelhaft. Das ist das Ergebnis des Kita-Berichts des Paritätischen Gesamtverbandes, der an diesem Montag veröffentlicht wird. Den pädagogischen Fachkräften werde es dadurch erschwert, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, wie diese bundesweite Befragung zeigt. Daher herrsche bei den Kita-Fachkräften eine große Unzufriedenheit.

Der Studie zu Folge verhindert der anhaltend hohe Fachkräftemangel in jeder zweiten Kindertageseinrichtung, dass Kapazitäten vollständig ausgeschöpft werden. 60 Prozent der Teilnehmenden an der Befragung gehen davon aus, dass sie mit dem gegenwärtigen Personalschlüssel den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden können.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam im April eine Studie im Auftrag des Deutschen Kitaleitungskongresses. Demnach hat sich die personelle Unterdeckung in den letzten Jahren weiter verschärft. In vielen Einrichtungen ist zeitweise so wenig Personal vor Ort, dass die wissenschaftlich empfohlenen Vorgaben der Aufsichtspflicht nicht erfüllt werden.

In der Studie des Paritätischen wird zudem festgestellt, dass insbesondere Kindertageseinrichtungen in benachteiligten Sozialräumen von einem zu niedrigen Personalschlüssel betroffen sind. Das ist fatal: Denn je höher die sozialräumliche Benachteiligung ist, desto größer ist die Zahl der Kinder mit Unterstützungsbedarf, beispielsweise bei der sprachlichen Bildung. Wie stark benachteiligt ein Sozialraum in der Studie gilt, hängt davon ab, wie viele Menschen im Umfeld der Kita Sozialleistungen beziehen und ob viele Menschen nur ein geringes formales Bildungsniveau haben.

Der hohe Personalmangel in Kitas wird zu einem wachsenden Problem. Immer mehr Kinder besuchen eine Kita oder Kindertagespflege, wie aus Zahlen hervorgeht, die das Bundesfamilienministerium vergangenen Donnerstag veröffentlicht hat. Insgesamt besuchten 2021 demnach über 48 000 mehr Kinder als im Vorjahr ein Angebot der Kindertagesbetreuung.

Trotzdem übersteigt dem Ministerium zufolge der Betreuungsbedarf von Kindern in allen Altersgruppen weiterhin das Angebot. Auch weil im laufenden Jahr mit einer noch viel höheren Nachfrage gerechnet wird, ist es drastisch, dass schon jetzt so viele Kitas weit entfernt sind von der empfohlenen Personalausstattung. Durch die Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine werden laut Bundesfamilienministerium noch mehr Kinder einen Betreuungplatz benötigen.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) kündigte jetzt zusätzliche Anstrengungen gemeinsam mit Ländern und Kommunen an, um mehr Fachkräfte für Betreuungseinrichtungen zu gewinnen. Zudem müsse die Qualität der Kinderbetreuung weiter verbessert werden. »Wenn Kinder hochwertig gefördert und betreut werden, schaffen wir mehr Chancengerechtigkeit für Kinder, verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und fördern die Erwerbstätigkeit von Frauen«, hob Paus hervor.

In fast der Hälfte der bundesweiten Kitas sprechen 20 Prozent oder mehr der Kinder zu Hause vorrangig eine andere Sprache als Deutsch. Der dadurch entstehende Förderbedarf kann der Studie des Paritätischen zufolge jedoch überwiegend schon jetzt nicht gedeckt werden. »Die Fachkräfte vor Ort leisten Tag für Tag Enormes unter vielerorts wirklich schweren Bedingungen. Gerade dort, wo viele Kinder in Armut aufwachsen oder auf besondere Unterstützung angewiesen sind, klagen auch die Kitas über schlechtere Ausstattung«, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Je größer die sozialräumliche Benachteiligung, desto unzufriedener sind die Umfrage-Teilnehmenden mit der Raumausstattung. »Hier braucht es dringend gezielte und bessere Unterstützung«, fordert Schneider.

Auffällig ist zudem, dass es in Umfeldern mit einer hohen sozialräumlichen Benachteiligung fast doppelt so viele große Kindertageseinrichtungen gibt wie in wenig benachteiligten Gebieten. Doch in der Studie wurden noch mehr strukturelle Defizite deutlich – etwa im Bereich der Kita-Finanzierung. Neu- und Ersatzanschaffungen seien vielerorts nicht selbstverständlich.

Mehr als ein Drittel der Umfrage-Teilnehmenden gab zudem an, dass die vorgesehenen Finanzmittel nicht ausreichen, um die Kinder mit einer ausgewogenen Ernährung zu versorgen. »Es ist schon ein Armutszeugnis, wenn es uns in diesem reichen Land nicht gelingt, jedem Kind eine gesunde Mahlzeit, bestmögliche Förderung in der individuellen Entwicklung und eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen«, stellt Schneider fest.

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