Großes Paket für die Armen gefordert

Nach Verkündung der Höhe der Gasumlage wird der Ruf nach Entlastungen lauter

Exakt 2,419 Cent pro Kilowattstunde soll sie betragen – die heftig umstrittene Gasumlage. Dies gab die Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der hiesigen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, am Montag in Ratingen bekannt. Mit der Umlage werden ab Oktober erhöhte Beschaffungskosten von Importeuren über die Versorger an die Verbraucher, also Privathaushalte und Unternehmen, weitergegeben. Sie soll dann nach einer Frist von vier bis sechs Wochen fällig sein.

Dies wird sich sogar in der Inflationsrate bemerkbar machen: »Die nun angekündigte Umlage würde rechnerisch die Inflationsrate um 1,0 Prozentpunkte erhöhen, wenn auf die Umlage auch Mehrwertsteuer erhoben wird«, sagte Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), gegenüber »nd«. Daher könnte die Inflationsrate im vierten Quartal »im ungünstigen Fall« sogar die Marke von zehn Prozent übersteigen.

Die Gasumlage, die bis April 2024 erhoben werden soll, würde Privathaushalte sehr unterschiedlich treffen. Etwa die Hälfte von ihnen nutzt Erdgas zum Heizen und für Warmwasser. Der Verbrauch variiert sehr stark, besonders hoch ist er in freistehenden, kaum gedämmten Einfamilienhäusern. Bei einem vierköpfigen Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden summieren sich die Mehrkosten durch die Umlage auf 576 Euro im Jahr, ohne Mehrwertsteuer wären es rund 484 Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat auf EU-Ebene eine Befreiung der Umlage von dieser Steuer erbeten.

Angesichts solcher Summen wird der Ruf nach Entlastungen lauter, die auch Kanzler Olaf Scholz vage angekündigt hat. So sagte IMK-Direktor Dullien, neben erneuten staatlichen Einmalzahlungen im Winter wäre es jetzt »zielführend«, den Vorschlag eines Preisdeckels für einen Grundverbrauch von Gas für die Privathaushalte schnell umzusetzen und mit der Einführung der neuen Gasumlage in Kraft zu setzen. »Wir nehmen die Bundesregierung beim Wort und erwarten umfassende Hilfen für alle, die sie benötigen«, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. »Es braucht kein Entlastungspäckchen für alle, sondern ein großes Paket für die Armen.« Schneider fordert etwa eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 678 Euro und eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets. Für Dietmar Bartsch, den Ko-Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, ist die Gasumlage ein »Spaltpilz für die Gesellschaft«. Er sagte: »Wir brauchen einen heißen Herbst der Proteste gegen die Energiepolitik der Bundesregierung.« Viviane Raddatz vom Umweltverband WWF forderte die Regierung auf, »schleunigst weitere Maßnahmen vorzulegen, die verbindliche Einsparungen vorsehen, insbesondere auch in der Industrie, und die vor allem untere und mittlere Einkommensgruppen entlasten, ohne Anreize für fossilen Mehrverbrauch zu setzen«. Dies ließe sich durch Abbau klimaschädlicher Subventionen oder eine Übergewinnsteuer finanzieren.

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