Mehr als Klimaschutz

Radikale Anpassung an die Folgen des Klimawandels wäre die Möglichkeit, soziale und ökologische Fragen zu emanzipatorischer Politik zu verbinden

  • Ulrich Brand, Barbara Fried, Rhonda Koch, Hannah Schurian und Markus Wissen
  • Lesedauer: 14 Min.
Grüne Fassaden sehen schön aus und haben sogar einen kleinen Effekt auf die Emissionsbilanz. Sozial-ökologische Transformation sind sie aber nicht.
Grüne Fassaden sehen schön aus und haben sogar einen kleinen Effekt auf die Emissionsbilanz. Sozial-ökologische Transformation sind sie aber nicht.

Stellen wir uns einen Sommer im Jahr 2050 in einer deutschen Großstadt vor. Was wir heute an extremen Hitzetagen erleben, wäre wochen- oder gar monatelang Normalität, die Temperatur sinkt nachts nicht unter 20 Grad. Aber die Last der Hitze ist ungleich verteilt: In schlecht sanierten, dicht besiedelten Wohngegenden staut sich die Wärme, während es in grünen Stadtvierteln mit Gärten bis zu zehn Grad kühler sein kann. Das ist nur ein Schlaglicht auf die Ungleichheit in einer klimaveränderten Welt, und bei weitem nicht das bedrückendste.

In vielen Weltregionen werden zu diesem Zeitpunkt wesentlich größere Umweltkrisen die Lebensverhältnisse beeinträchtigen oder gar unerträglich machen. Doch auch die Hitzesommer in Deutschland werden Tote fordern – und tun dies bereits heute: Mehr als 19 000 Menschen starben einer kürzlich im Ärzteblatt veröffentlichten Studie des Robert-Koch-Instituts, des Deutschen Wetterdienstes und des Umweltbundesamtes zufolge 2018 bis 2020 in Deutschland aufgrund der Hitze, wobei ältere Menschen mit Vorerkrankungen die am stärksten betroffene Gruppe sind. Hitzesommer verursachen in Großstädten schon jetzt mehr Todesfälle als der Straßenverkehr.

Um die Gesellschaft auf zunehmende Extremwetter und Umweltkrisen vorzubereiten, besteht enormer Handlungsbedarf, der weithin verdrängt wird. Selbst ein reiches Land wie Deutschland ist im schlechten Sinne »unangepasst« und versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Den Preis zahlen vor allem diejenigen, die am wenigsten haben und für die Klimakrise kaum verantwortlich sind. Publikationen wie jene des Weltklimarats (IPCC) von 2022, die sich umfassend den Auswirkungen der Klimakrise und der ungleich verteilten Verwundbarkeit widmen, machen deutlich: Die Klimaanpassung ist eine soziale Frage, vielleicht die soziale Frage der kommenden Zeit.

Was die konkreten Konsequenzen dieser Einsicht sind, darüber wird auch in der Linken kaum gesprochen. Von »Anpassung« zu reden wirkt defensiv und resignativ, es klingt nach einer Verwaltung des Mangels, die keine Zustimmung bringt. Und wäre es nicht ohnehin besser, alle Anstrengungen auf den Klimaschutz zu richten, als sich jetzt schon mit den Folgen abzufinden? Das Gegenteil ist richtig: Wer sich den Klimaprognosen stellt und sich konkret vor Augen führt, was ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad bedeutet, dem wird umso deutlicher, warum radikale Klimaanpassung dringend notwendig ist, um Schlimmeres zu verhindern. Uns damit zu konfrontieren und nach kollektiven Antworten zu suchen, könnte helfen, Verdrängung, Angst und Resignation zu überwinden.

Migrationsabwehr statt Klimahilfen

Im globalen Süden sind Klimaschäden und Verluste bereits spürbarer und enorme Anpassungsleistungen notwendig. Die Bewegungen für Klimagerechtigkeit fordern Reparationen für die »Klimaschulden« der reichen Länder des globalen Nordens, deren Produktionsmodell und Lebensweise historisch den Großteil der globalen Emissionen verursacht haben und weiter verursachen. Doch die westlichen Industrieländer entziehen sich dieser Diskussion. Statt globaler Solidarität dominiert Abschottung. Menschen, die vor den Klimafolgen fliehen, werden immer brutaler zurückgewiesen. Inzwischen geben die reichsten Länder mindestens doppelt so viel für Migrationsabwehr aus wie für Klimafinanzierung. Wer für Anpassungsmaßnahmen, Schäden und Verluste im globalen Süden zahlt, bleibt umkämpft.

Auch hierzulande sind die Herausforderungen enorm. Viele traditionelle Pflanzensorten sind nicht mehr anbaubar, zahlreiche Tierarten vom Aussterben bedroht. Anpassung ist keine Option, sie wird uns von der Realität aufgezwungen. Die Frage ist, wie sie gestaltet wird. Denn die herrschende Anpassungspolitik ist vielerorts nicht proaktiv, sondern reaktiv, nicht demokratisch, sondern autoritär, nicht öffentlich und universal, sondern privatisiert und technokratisch.

Allzu oft wird dabei die enorme soziale Ungleichheit ausgeblendet, die von den Klimafolgen noch verschärft wird. Ernsthafte Anpassung müsste gute Lebensverhältnisse für alle schaffen und diejenigen ins Zentrum stellen, die am stärksten betroffen sind. Dafür muss sie jedoch die eng gesteckten Grenzen des »realpolitisch Möglichen« sprengen und enorme Ressourcen mobilisieren und umverteilen. Öffentliche Güter müssen ausgebaut und dem Imperativ der kapitalistischen Verwertung entrissen werden. Über ihre Produktion und Verteilung muss demokratisch entschieden werden.

Die herrschenden Maßnahmen

Anpassung muss daher Teil einer grundlegenden sozial-ökologischen Transformation sein, ansonsten wird sie für den großen Teil der Menschen scheitern. Zwar wurde in Deutschland inzwischen die Dringlichkeit des Themas erkannt, die politischen Antworten greifen aber zu kurz. Im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) erarbeiten Behörden und wissenschaftliche Netzwerke unter Leitung des Umweltministeriums seit 17 Jahren Risikoanalysen und Empfehlungen, von der Land- und Forstwirtschaft über den Verkehr bis zur Gesundheitsversorgung. Auch die Kommunen werden angehalten, Pläne vorzulegen.

Doch Umfang und Tempo der Maßnahmen bleiben weit hinter dem Bedarf zurück, während sich die Krise weiter zuspitzt. Die Umsetzung wird im bürokratischen Dickicht ausgebremst. Statt eines Sondervermögens »Klimakrise« wird eines für die Bundeswehr geschaffen, obwohl die deutschen Rüstungsausgaben 2021 die siebthöchsten weltweit waren. Nötig wären in dieser Situation massive Investitionen in die Infrastrukturen der Wasser- und Gesundheitsversorgung, des Verkehrs und des Katastrophenschutzes, doch es fehlt den überforderten Kommunen an Personal und Finanzmitteln.

Während die Mühlen langsam mahlen, werden an anderer Stelle unbeirrt Fakten geschaffen. Es wird weiter versiegelt, Autobahnen werden ausgebaut und Glastürme hochgezogen. Das hat fatale Folgen: Glasfassaden können, so die Klima-Initiative der Helmholtz-Forschungszentren, »das Sonnenlicht wie eine Lupe konzentriert auf einen Punkt reflektieren und für einen Temperaturanstieg sorgen«. Und Versiegelungen, darauf weist das Umweltbundesamt hin, beeinträchtigen nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern verhindern auch, dass Regenwasser versickern und die Grundwasservorräte auffüllen kann sowie die im Sommer so notwendige Verdunstung und Kühlung.

Die DAS konzentriert sich vor allem auf technische Maßnahmen wie Deichbauten, Abwassersysteme und Baunormen. Dagegen werden Sozial-, Gesundheits- oder Stadtpolitik, die unmittelbar Einfluss haben auf die sozialen Auswirkungen der Klimafolgen, kaum berücksichtigt. Erst spät wurden die sozialen Faktoren der Verwundbarkeit überhaupt in den Risikoanalysen benannt. Was gezielt armen und vulnerablen Gruppen zu Gute kommen könnte, etwa mieter*innenfreundliche Finanzierungskonzepte für energetische Sanierung, wird bislang ausgeklammert. Das ist ein folgenschwerer Fehler.

Ungleichheit wird verschärft

Denn Umweltrisiken treffen nicht alle gleich, das zeigt schon das hochsommerliche Temperaturgefälle zwischen der Stadtvilla mit Garten und dem unsanierten Plattenbau. Die Klimafolgen stellen insbesondere für diejenigen eine Härte dar, die auch heute schon unter ausgedünnten sozialen Dienstleistungen leiden: Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen, ältere, gesundheitlich beeinträchtigte oder auch behinderte Menschen. Anpassungspolitik müsste hier gezielt gegensteuern. Wenn sie auf dem sozialen Auge blind bleibt, droht sie die Spaltungen noch zu vertiefen. Das bestätigt auch eindrücklich der jüngste Bericht des Weltklimarates.

Solche Entwicklungen lassen sich in der Stadtpolitik beobachten. Auf einem deregulierten Wohnungsmarkt können selbst sinnvolle Maßnahmen wie die Entsiegelung von Grünflächen oder Gebäudesanierungen zur sozialen Segregation beitragen. Verkehrsberuhigte »grüne Zonen« können zu steigenden Mieten und zur Verdrängung von ärmeren Bewohner*innen führen. Die spanische Stadtforscherin Isabelle Angueolvski hat solche Phänomene der »Green Gentrification« weltweit analysiert. Sie beschreibt, wie städtische Anpassungspolitik häufig von oben durchgesetzt wird und die am stärksten Betroffenen übergeht.

Selbst Katastrophenhilfe und Wiederaufbau können zu Verdrängung führen, wenn sich Überlebende die Rückkehr nicht leisten können oder gar umgesiedelt werden, wie etwa 2005 in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina. Im Globalen Süden, so Ivonne Yanez von der ecuadorianischen Gruppe Acción Ecológica, führen auch Infrastrukturmaßnahmen, die der Anpassung oder dem Klimaschutz dienen sollen, häufig zur Vertreibung von Marginalisierten. Warum scheitert die herrschende Politik nicht nur fundamental in der Bekämpfung der Klimakrise, sondern auch in der Anpassung an die Klimafolgen?

Krisenmaschine Kapitalismus

Hier wie dort zeigt sich, dass die Dynamik des Kapitalismus nicht nur die Grundlagen der gesellschaftlichen und ökologischen Reproduktion permanent untergräbt, sondern auch die Kapazitäten, mit den daraus folgenden Krisen umzugehen. So wurden mit dem neoliberalen Kahlschlag der letzten Jahrzehnte auch hierzulande soziale und physische Infrastrukturen heruntergewirtschaftet sowie das Personal und die Wissensbestände in den staatlichen Apparaten dezimiert.

Anpassungspolitik ist zudem vornehmlich Infrastrukturpolitik und auf öffentliche Investitionen angewiesen. Wenn diese ausbleiben oder durch neoliberale Politiken der Schwarzen Null versperrt sind, schränkt das die Möglichkeiten für effektive Anpassung ein. Gleichzeitig nimmt deren Notwendigkeit in dem Maße zu, wie durch neoliberale Politiken auch die Zerstörung von Natur intensiviert wird. Dies ist dann der Fall, wenn Infrastrukturen mit dem Ziel der Profitmaximierung statt dem der Daseinsvorsorge betrieben werden und sich nicht das Sparen, sondern der Verbrauch von Wasser oder Energie auszahlt – mit allen Konsequenzen für Mensch und Ökosystem. Neoliberale Politiken können insofern im selben Zuge Anpassungszwänge verstärken und Anpassungskapazitäten unterminieren.

Die Verwerfungen infolge der Klimakrise werden so einschneidend sein, dass sie zu erheblichen Legitimationsproblemen der herrschenden Politik und des kapitalistischen Staates führen können – innergesellschaftlich, aber auch international. Der Widerspruch zwischen der staatlichen Akkumulations- und der Legitimationsfunktion – also die Kluft zwischen der Aufgabe, gute Bedingungen für die Kapitalverwertung zu organisieren und gleichzeitig die Zustimmung zu einer extrem ungleichen Gesellschaftsordnung abzusichern – wird sich weiter verschärfen. Dass diese Hegemonie immer prekärer wird, spielt nicht automatisch der Linken in die Hände, aber es eröffnet die Möglichkeit, zu intervenieren und radikal-reformerische Maßnahmen zu entwickeln, die tatsächlich die Lebensbedingungen der vielen schützen.

Was wären solche Maßnahmen einer linken und solidarischen Anpassungspolitik? Und welche Bündnisse wären notwendig, um ihnen eine reale Durchsetzungsperspektive zu geben? Das sind strategische Fragen, die dringend diskutiert werden müssen. In jedem Fall müssten die staatlichen und gesellschaftlichen Kapazitäten der Klimaanpassung wiederaufgebaut oder neu geschaffen werden. Doch zugleich gilt es, die strukturellen Grenzen, auf die solche Bemühungen im kapitalistischen Staat stoßen, zu reflektieren. Zentral wäre es, um die staatlichen Institutionen der Anpassung zu kämpfen und gemeinsam mit progressiven Akteuren in den Apparaten (im Umweltministerium, Umweltbundesamt oder in Kommunalverwaltungen) die Grenzen des Machbaren zu verschieben.

Das wird nur bei einer deutlichen Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse möglich sein – nur, wenn soziale Bewegungen oder Arbeitskämpfe Druck für die Forderungen aufbauen. Zwar ist die Klimabewegung im globalen Norden in den letzten Jahren deutlich erstarkt. Sie konzentriert sich aber, im Interesse künftiger Generationen, allein auf den Klimaschutz. Eine Perspektive der Klimagerechtigkeit auch im Feld der Anpassung zu entwickeln, wäre der wichtigste nächste Schritt. Gerade hier ist besonders sichtbar, dass die Klimakrise nur internationalistisch und gegen die Interessen des Kapitals bewältigt werden kann.

Denn Klimaanpassung kann sich entweder darauf beschränken, die sozial-ökologisch destruktiven Folgen einer Produktionsweise abzufedern, ohne deren Mechanismen infrage zu stellen. Oder sie kann den grundlegenden Umbau dieser Gesellschaft anstoßen. Für letzteres müsste sich jetzt eine breite Bewegung stark machen und konkrete Vorschläge entwickeln. In diesem Kampf gibt es zahlreiche Hindernisse, aber auch eine Chance. Denn die massiven klimatischen Umbrüche werden ein »Weiter so« immer irrealer erscheinen lassen. Grundlegend andere Produktions- und Reproduktionsweisen, Eigentumsverhältnisse und eine Demokratisierung der Wirtschaft werden die einzige Möglichkeit sein, eine lebenswerte Zukunft für alle offen zu halten. Wenn die Linke eine Zukunft haben will, muss sie hierfür einstehen.

Linke Anpassung will mehr!

Eine linke Anpassungspolitik würde sich nicht nur durch explizite, sondern auch implizite Maßnahmen auszeichnen. Explizite Maßnahmen sind primär baulicher und technischer Art: Deiche werden erhöht, Flächen entsiegelt oder Kühlräume geschaffen. Das alles ist unabdingbar und kann Leben retten. Implizite Anpassung nimmt auch die sozialen Verhältnisse in den Blick, die entscheidend dafür sind, wie sich Klimafolgen am Ende auswirken. Sie will die am stärksten Betroffenen schützen und stellt zugleich die Frage, wie wir eigentlich leben wollen und können.

Für einen effektiven Schutz vor den Klimafolgen braucht es daher auch linke Kernforderungen, von der energetischen Sanierung des sozialen Wohnungsbaus über die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft mit klimaresilienten Anbaumethoden und solidarischen Versorgungsbeziehungen zwischen Stadt und Umland bis hin zur Förderung von öffentlichen Orten und Gemeinschaftsgärten. Konkrete Maßnahmen zur Umweltgerechtigkeit reichen vom Rückbau großer Straßen, an denen meist die Ärmeren wohnen, über Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen in benachteiligten Stadtteilen und dem Ausbau des öffentlichen Transports bis zu besseren Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Bau- und Landwirtschaft.

Schließlich geht es auch um eine Arbeitszeitverkürzung, die den Raum dafür schafft, die immer wichtigere sorgende Arbeit für Mensch und Natur zu leisten. Global gesehen sind offene Grenzen für (Klima-)Migrant*innen und -Flüchtlinge ebenso wichtig wie die massive Unterstützung des globalen Südens in der Bewältigung der Klimaschäden. Eine Klimapolitik, die Anpassungskapazitäten im globalen Süden untergräbt, wie etwa die Förderung der ressourcenintensiven Elektroautomobilität durch die reichen Industrieländer, ist hiermit unvereinbar.

Diese Essentials linker Politik sind nicht neu, aber sie werden jetzt besonders dringlich. Die »egalitären Aspekte des Stadtlebens [bieten] die besten soziologischen und physikalischen Voraussetzungen für Ressourcenschonung und Reduktion des CO2-Ausstoßes«, schrieb der Stadtsoziologe Mike Davis vor über zehn Jahren. So verstanden, verleiht die Klimaanpassung linken Kernforderungen Rückenwind. Und nicht nur das: Sie schafft die Voraussetzungen dafür, einer erstarkenden rechten Politisierung der Klimafolgen zu begegnen – eine Bedrohung, die umso stärker werden dürfte, je mehr sich die klimabedingten Katastrophen häufen. Sie wird aber auch durch eine technokratische Klima(anpassungs)politik verschärft, die sich über die Verteilungsdimensionen der Klimakrise hinwegsetzt und auf eine Kombination aus Marktmechanismen und technischen Lösungen baut. Die Bekämpfung sozialer Ungleichheit tritt dann in Konkurrenz zu Klimaschutz und Klimaanpassung.

Eine solche Politik ist Wasser auf die Mühlen der Rechten, die eine solche Schließung des politischen Raums ebenso nutzen könnten, wie sie es mit der neoliberal gewendeten sozialdemokratischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Nuller-Jahre getan haben. Wo sozialdemokratische und grüne Parteien suggerieren, es gebe nur die vermeintlichen Sachzwänge – sei es der Globalisierung oder der Klimakrise –, wächst die Gefahr, dass rechte Kräfte die soziale Ungleichheit, die im Zuge einer solchen Politik verschärft wird, reaktionär oder faschistoid besetzen.

Eine linke Klimaanpassungspolitik auf der Höhe der Zeit hat dem etwas entgegenzusetzen. Sie sieht in solidarischen und sorgenden Städten, egalitären Stadt-Land-Beziehungen und internationaler Solidarität den Schlüssel zur Bewältigung der sich verschärfenden Folgen der Klimakrise. Eine solche Politik ist kein Selbstläufer, sie erfordert vielmehr strategisches Geschick bei der Organisation von gesellschaftlichen Mehrheiten. Aber sie öffnet Horizonte für eine sozial-ökologische Neuerfindung der Linken.

Was dürfen wir hoffen?

Zoomen wir nochmal in den urbanen Hitzesommer 2050, aber diesmal unter anderen Vorzeichen. Wie sähe ein anderer, solidarischer Umgang mit den Klimafolgen aus? Die tropischen Nächte gibt es trotzdem, sie bringen viele Menschen an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Doch Frischluft und Kühlung sind für alle garantiert. Eine öffentliche Warn-App liefert tägliche Klimadaten und informiert über die nächstgelegenen Kühlräume und Trinkbrunnen. Risikogruppen werden aktiv angesprochen und bei Bedarf in die öffentlichen kühlen Räume begleitet. Durch Entsiegelung sind Frischluftschneisen entstanden, Freibäder sind kostenfrei. Der Autoverkehr ist aus den Innenstädten verbannt, die Straßen umgewidmet oder zurückgebaut. Parkplätze wurden zu Grünanlagen und Gemeinschaftsgärten. Im neu entstandenen sozialen Wohnungsbau machen natürliche Baustoffe, bauliche Verschattung und Begrünung die Hitze erträglich. Auch Großsiedlungen sind saniert und seit der Vergesellschaftung der Wohnungsbauunternehmen sind die Mieten langfristig gedeckelt. Viele Menschen leben dennoch lieber außerhalb der heißen Städte – gute öffentliche Verkehrsverbindungen machen es möglich.

Die Voraussetzung für all dies: Öffentliche Güter müssen durch vielfältige Kämpfe sukzessive dem Zugriff der Konzerne abgerungen werden. Nur durch eine Welle der Vergesellschaftung, ein Zurückdrängen der Profitlogik aus zentralen gesellschaftlichen Bereichen, ist ein solches Szenario überhaupt denkbar. Solidarische Anpassungspolitik wird in ständiger Spannung stehen zum Druck der Kapitalverwertung, der sich in einer eskalierenden Klimakrise noch zuspitzen wird.

Auch diese zukünftige Welt wäre also keine heile Welt. Selbst wenn viele dieser Kämpfe gewonnen würden, wird es häufige Wetterextreme und dauernder Umweltkrisen geben. Immer wieder wäre es nötig, auf Ausfälle zu reagieren und Schäden zu reparieren. Die am stärksten betroffenen Länder des globalen Südens müssten umfangreiche Reparationen von den ehemaligen Profiteuren des fossilen Kapitalismus erhalten. Nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Anpassung, Schäden und Verluste – für die notwendigen massiven Investitionen in technische und soziale Infrastrukturen. Wo Anpassung nicht möglich ist, werden Migrationsbewegungen weiter zunehmen. Diesen Menschen Bewegungsfreiheit zu ermöglichen und eine neue Existenz zu sichern, ist die zentrale politische Aufgabe. Spätestens hier wird die Reichweite der skizzierten Utopie deutlich. Eine Welt, in der Klimafolgen solidarisch bewältigt werden, wäre eine ganz andere, eine radikal veränderte Welt, die notwendig globale Gerechtigkeit einschließt. Der Weg dahin ist nicht einfach. Doch wenn wir Politiken entwerfen, die die Klimafolgen nicht leugnen, sondern zum Ausgangspunkt gesellschaftlicher Veränderung machen, wird klar, was zu gewinnen ist: eine Zukunft, für die es zu kämpfen lohnt.

Eine frühere Fassung dieses Textes erschien bereits in der Zeitschrift LuXemburg 2-2022 »Unangepasst«. Die Autor*innen arbeiten derzeit alle im Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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