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»Halten Sie Ägypten im Rampenlicht!«
Menschenrechtsaktivistin Samar El-Hussieny hofft auf Wandel durch COP 27
Frau Elhussieny, Tausende Delegierte, NGO- und Medienvertreter*innen sind in Scharm El-Scheikh, um an der Weltklimakonferenz COP 27 teilzunehmen. Was erwarten Sie?
Wir hatten hohe Erwartungen an die COP. Wir forderten die Freilassung willkürlich inhaftierter politischer Gefangener und die Beendigung des Verbots von 700 Websites, zum Beispiel von Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien. Bisher kamen nur wenige Aktivist*innen frei. Stattdessen wurden in den vergangenen Wochen 1500 Menschen, die zu dezentralen Protesten aufriefen, festgenommen. Und nur bei zwei Websites wurde die Sperre aufgehoben – eine davon ist die von Human Rights Watch. Wir hatten hohe Erwartungen, aber in Ägypten kann man nur auf Minimales hoffen.
Samar Elhussieny vom Egyptian Human Rights Forum hofft, dass der Klimagipfel Veränderungen bei der Menschenrechtslage bewirken kann. Die hat sich nämlich in Ägypten seit der Machtübernahme von Abdel Fattah Al-Sisi 2014 ständig verschlechtert. Bisher gebe es nur wenige Lichtblicke.
Fossile Konzerne expandieren in Afrika, während die Folgen des Klimawandels gerade im Globalen Süden immer katastrophaler werden. Haben Sie die Hoffnung, dass dieser Gipfel zu mehr globaler Gerechtigkeit führen wird?
Für globale Gerechtigkeit müssen wir uns auch mit nationalen Ungerechtigkeiten befassen. Wir hatten gehofft, dass es mehr Analysen der nationalen Klimapolitik geben würde, um Länder ins Rampenlicht zu rücken, die ökologische Fragen ignorieren. Ägypten gehört sicherlich dazu. Die internationale Gemeinschaft muss kritisieren, dass in Ägypten keine offene Auseinandersetzung über Klimaschutz möglich ist. Das Regime hat alle NGOs vereinnahmt oder verboten. Natürlich tragen die Industrienationen wie Deutschland und die USA die größte Verantwortung für den Klimawandel und müssen daher die am stärksten gefährdeten Länder finanziell unterstützen. Bisher gab es dafür auf der COP keinen Durchbruch. Es muss aber auch sichergestellt werden, dass das Geld wirklich für Klimaschutz verwendet oder an vom Klimawandel betroffene Gemeinden weitergegeben wird.
Sind Sie überrascht, dass es Proteste von Klima- und Menschenrechtsaktivist*innen auf der Konferenz gab?
Die COP findet unter dem Dach der Vereinten Nationen statt. Auf dem COP-Gelände sind also bestimmte Proteste erlaubt. Aber außerhalb dieses Bereichs ist Protest unmöglich. Während es auf dem Gelände Proteste gab, hat das ägyptische Regime Aktivist*innen an anderen Orten im Land verhaftet. Es ist ganz anders als bei vergangenen Klimagipfeln. Letztes Jahr demonstrierten zum Beispiel in Glasgow Tausende auf den Straßen.
Scharm El-Scheikh als Austragungsort ist ziemlich exklusiv und schwierig zu erreichen. Nicht die beste Voraussetzung für zivilgesellschaftliche Teilhabe …
Es ist kein Zufall, dass die ägyptische Regierung Scharm El-Scheikh als Austragungsort für die COP ausgewählt hat. Die Stadt liegt buchstäblich in der Wüste. Es gibt nichts außer teuren Hotels und Resorts. Für viele Organisationen, besonders aus Afrika, ist es unmöglich teilzunehmen.
Sie erwähnten Festnahmen. Ägyptische Organisationen wie COP Civic Space hatten für den 11. November zu dezentralen Protesten aufgerufen. Gab es welche?
Nein, es gab nicht einmal einen kleinen Protest. Es gab nichts. Die Regierung verhaftete die 1500 Aktivist*innen, bevor es überhaupt zu Protesten kam. Nur weil sie dazu aufgerufen hatten. Deshalb wagte niemand, am 11. November zu protestieren.
Es gab mehrere Veranstaltungen zur Menschenrechtslage. Welche Bedeutung haben solche Events?
Es gab ein paar sehr wertvolle und wichtige Veranstaltungen. In einigen Diskussionen schalteten sich sogar Organisationen aus Kairo, die nicht an der COP teilnehmen durften, online dazu. Es gab also einige Möglichkeiten, um die Öffentlichkeit über die Situation hier zu informieren und Kritik zu äußern. In den letzten Wochen wurde mehr über die Lage in Ägypten geschrieben als in den vergangenen acht Jahren.
Bei diesen Veranstaltungen filmten ägyptische Sicherheitskräfte die Teilnehmer*innen. Erwarten Sie rechtliche Konsequenzen für die Ägypter*innen, die teilgenommen haben?
Es gibt viele Spekulationen über Vergeltungsakte des Regimes. Es liegt in der Verantwortung der UN und einzelner Länder, dies zu verhindern. Wenn die Welt weiterhin beobachtet, was in Ägypten passiert, kann das Regime nicht tun, was es will. Es kursieren Witze unter Aktivist*innen, ob die Vereinten Nationen die COP nicht um ein ganzes Jahr verlängern könnten, damit die Ägypter*innen die relative Freiheit noch länger genießen können.
Wie auch die anderen Mitglieder im Egyptian Human Rights Forum leben Sie nicht mehr in Ägypten. Wann waren Sie das letzte Mal dort?
2017 zum letzten Mal. Ich wollte Ende 2018 noch einmal nach Ägypten, weil mein Vater inhaftiert wurde und ich ihn unterstützen wollte. Aber meine Anwält*innen und andere Aktivist*innen rieten mir dringend davon ab. Sie befürchteten, dass ich sofort am Flughafen festgenommen werden würde. Jedes Mitglied des Egyptian Human Rights Forum hat ein Reiseverbot, wurde von den staatlichen Medien öffentlich beschimpft oder sogar von den ägyptischen Behörden mit Ermordung bedroht. Wir können alle nicht zurück. Deshalb wollen wir Ägypter*innen in der Diaspora verbinden und eine Bewegung außerhalb Ägyptens schaffen, um die Menschen im Land zu unterstützen.
Hoffen Sie, dass der Gipfel zu einem Cross-Movement zwischen Klima- und Menschenrechtsbewegung führt?
Das ist bis jetzt das beste Ergebnis der COP. Die Klimabewegung solidarisiert sich deutlich mit dem Kampf in Ägypten. Die meisten Klimaaktivist*innen verstehen, dass es ohne Menschenrechte keine Klimagerechtigkeit gibt. Es wäre heuchlerisch von Umweltorganisationen, nach Ägypten zu kommen und so zu tun, als sei alles in Ordnung. Eine gemeinsame Bewegung kommt beiden Kämpfen zugute.
Was können internationale Delegierte und Medienvertreter*innen tun?
Halten Sie Ägypten im Rampenlicht. Das Regime kann Medien außerhalb Ägyptens nicht unterdrücken. Und andere Länder sollten die Menschenrechte als Voraussetzung für die Zusammenarbeit einfordern. Journalist*innen müssen die Geschichten politischer Gefangener hervorheben, das wahre Gesicht dieses Regimes enthüllen und die Gelegenheit nutzen, um die Realität des ägyptischen Volkes darzustellen.
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