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Lauterbachs Corona-Pille
Das Virostatikum Paxlovid weckte große Hoffnungen, ist aber nur für wenige Patienten geeignet
Das Virostatikum Paxlovid, eine Entwicklung von Pfizer, hatte Hoffnungen geweckt. Die Kombination der Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir (bislang gegen HIV und Aids eingesetzt) erhielt zuerst im Dezember 2021 in den USA eine Notfallzulassung. Ende Januar 2022 erfolgte in der EU eine bedingte Zulassung. Es war hier das erste Covid-19-Mittel, das von den Patienten einfach eingenommen werden konnte, also nicht gespritzt werden musste.
In der EU wurde das Virostatikum nur zur Behandlung von Covid-19 bei Erwachsenen zugelassen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Für diese Patienten senkt Paxlovid eben dieses Risiko. Das ordnete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen als »Zusatznutzen« ein.
Der Vorteil der oralen Verabreichung wird jedoch von einer Vielzahl von Einschränkungen begleitet: Das beginnt schon bei der Zusammensetzung der Probanden der Studie, aus der Pfizer Daten für das Zusatznutzen-Dossier einreichte. Dort waren Patienten mit komplexen Risikofaktoren unterrepräsentiert. Außerdem wurde die zulassungsrelevante Studie nur mit Ungeimpften durchgeführt. Eine vielversprechende Wirkung zeigte sich nach den Studiendaten jedenfalls bei »ungeimpften Risikopatienten, die erst seit wenigen Tagen symptomatisch und noch nicht schwer erkrankt sind«. Als mögliche Merkmale dieser Gruppe wurden genannt: Übergewicht, Alter über 60 Jahre, Einnahme immunschwächender Medikamente, Rauchen oder bestimmte Vorerkrankungen, darunter Diabetes oder chronische Lungenleiden.
Bei der Entscheidung für die Paxlovid-Therapie muss der Arzt die Patienten aber nicht nur früh im Krankheitsverlauf sehen. Darauf wird auch in einer Leitlinie von wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland hingewiesen. Demnach zeigt das Präparat nachweislich einen Nutzen, wenn es der bereits beschriebenen Patientengruppe innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn zugutekommt. Dann profitieren besonders Menschen mit einem nicht kompletten Impfschutz.
Der behandelnde Mediziner muss zudem einen hohen Aufwand betreiben, um Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abzuklären – und gerade die Gruppe der älteren Risikopatienten nimmt in der Regel reichlich Wirkstoffe ein. Kontraindiziert wäre die Einnahme zum Beispiel bei einer Therapie mit bestimmten Mitteln gegen Herzrhythmusstörungen, Lipidsenkern oder Blutverdünnern. Die Liste des RKI zu Wechselwirkungen ist lang und reicht bis hin zu Psychopharmaka.
Zusätzlich stellte sich heraus, dass nach Einnahme des Mittels ein Rebound-Effekt auftreten kann: Bereits genesene Patienten zeigten erneut Covid-19-Symptome und wurden positiv auf Sars-CoV-2 getestest. Das Phänomen betraf etwa 15 Prozent der Therapierten. Unter dem Strich haben es die Behandler also nicht mit einem einfachen Medikament zu tun.
Dennoch hat die Bundesregierung eine halbe Million Dosen bestellt, von denen bis September 460 000 an den pharmazeutischen Großhandel ausgeliefert wurden. Ende des Sommers wurde klar, dass 280 000 Dosen bis Februar 2023 verfallen könnten. Pfizer erreichte im Herbst für die EU eine veränderte Zulassung: Sie umfasst jetzt eine Haltbarkeit von 18 Monaten statt von bisher einem Jahr.
Die hohe Zahl ungenutzter Dosen alarmierte offenbar das Gesundheitsministerium. In einem einmaligen Vorgang wurde den Hausärzten im August ein Dispensierrecht für das Präparat erteilt. Arztpraxen und vollstationäre Pflegeeinrichtungen dürfen seitdem Paxlovid bevorraten und abgeben. Das war in Deutschland bislang nicht möglich, Ärzte durften höchstens Medikamentenmuster an ihre Patienten abgeben. Die Rechnung ging zumindest kurzfristig auf: In der Woche nach der Gesetzesänderung vervierfachte sich die Zahl der ausgelieferten Packungen im Vergleich zum vorherigen Durchschnitt.
Nicht zuletzt setzt die lobende Erwähnung von Paxlovid durch Regierungsmitglieder, angefangen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über Finanzminister Christian Lindner (FDP) bis hin zum Kanzler, den Beschaffungsvorgang ins Zwielicht. Zumal die drei Politiker eher nicht zu den Risikogruppen gehören, für die das Medikament zugelassen ist. Geholfen habe es ihnen angeblich trotzdem.
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