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Ist das Dosenpfand ein Erfolg?
Mehrweg verzweifelt gesucht: Vom Siegeszug der Plastikflaschen
Das Dosenpfand der ersten rot-grünen Bundesregierung wird 20 Jahre alt. Ein Erfolg?
Kommt drauf an, was man als Maß des Erfolgs nehmen will. Zuerst sind die Dosen verschwunden, sie schienen den Menschen zu teuer. Doch in den letzten Jahren tauchen wieder vermehrt Dosen auf. Und wenn man als Maßstab die Erhöhung der Mehrwegquote nimmt, dann war es ein Schlag ins Wasser.
Tatsächlich?
Ja, die Mehrwegquote ist seitdem kontinuierlich gesunken. Denn die meisten Menschen kaufen Erfrischungsgetränke in Zwangspfand-Plastikflaschen.
Die werden dann nachher sowieso vernichtet?
Vernichtet ist etwas hart. Das Material wird wiederverwendet. Denn der Kunststoff, aus dem die gemacht sind, das PET, also Polyethylenterephthalat, ist ja der gleiche Stoff, der auch in Fliesjacken und anderen Polyester-Textilien steckt. Die PET-Flaschen werden relativ problemlos sortenrein erfasst und sind damit einigermaßen recyclingfreundlich.
Aber wird denn aus einer Dose wieder eine neue Dose?
Teilweise. Bei den Alu-Dosen ist eine gewisse Quote an Recycling-Aluminium aus Dosen dabei. Voriges Jahr brauchten wir eine neue Pfanne. Und dann sahen wir bei Aldi eine, die aus Getränkedosen hergestellt wurde.
Und die hast du auch gekauft?
Ja, sie hatte die richtige Größe. Und es ist besser, als wenn sie aus frischem Aluminium gemacht wird. Die Herstellung von Aluminium aus Bauxit ist um einiges energieintensiver als das Einschmelzen und Neuformen von Aluminium. Und noch mehr Energie benötigt das Einschmelzen von Weißblech. Der Erfolg hängt eben vom Maßstab ab: Früher verstanden die Leute unter Umweltverschmutzung, dass Dreck auf der Straße liegt. Und heutzutage liegen da zumindest keine Dosen mehr rum. Das ist doch schon mal was, das freut den deutschen Bürger.
Die werden weggesammelt.
Diese Umweltverschmutzung ist tatsächlich zurückgegangen durch das Zwangspfandsystem. Aber wie man das Ziel einer 70-prozentigen Mehrwegquote erreichen will, dazu steht auch in der teilweise verschärften Verpackungsverordnung von 2019 nichts Überzeugendes.
Was weniger wird: die zwiebeltürmige Standardflasche für Wasser aus Glas.
Die gibt es zwar inzwischen auch als PET-Flasche, aber auch die nutzen nicht so viele Brunnen, habe ich den Eindruck, wenn ich in die Getränkeabteilung der Supermärkte gehe. Und individuelle Flaschen musst du leer wieder zurückfahren zum Abfüller, sagen wir mal von Berlin in die Eifel. Und dann kann der Transportaufwand durchaus den Vorteil des Pfandsystems unterminieren. Das zentrale Kriterium bei Mehrweg ist die Transportentfernung.
Ich dachte, das Hauptproblem wäre, Plastik verdrängt Glas.
Nö, Plastik an sich wäre nicht das Problem. Zwar lassen sich – rein theoretisch, wenn du keinen Bruch hast – Glaspfandflaschen deutlich häufiger befüllen: 50-mal, während es so eine PET-Mehrwegflasche wohl im Optimum auf 25 Befüllungen bringt. Aber auch in Glas steckt bislang fossile Energie.
Ist das Dosenpfand der größte Erfolg der Grünen?
Für Jürgen Trittin, damals Umweltminister, ist das wohl eher der Atomausstieg. Das Zwangspfand war schon eine Idee seines Vor-Vorgängers Klaus Töpfer von der CDU. Und bei Trittins Vorgängerin Angela Merkel entstand die Verordnung, in der stand, wenn die Mehrweg-Quote auf weniger als 72 Prozent fällt, dann kommt das Pfand. Und Trittin hat das dann umgesetzt – per Kabinettsbeschluss.
Also ein Erfolg.
Ein Pyrrhussieg. Die Mehrwegquote ist immer noch im Keller und der Materialaufwand eher gestiegen.
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