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  • »Roter Himmel« auf der Berlinale

Scheitern als Chance

Mit »Roter Himmel« läuft auf der Berlinale der zweite Teil von Christian Petzolds Romantik-Trilogie. Er bleibt dem Realismus zum Glück mehr verhaftet als der Vorgängerfilm

Der miesepetrige Schriftsteller Leon (Thomas Schubert) trifft im Ostsee-Ferienhaus auf die verführerische Nadja (Paula Beer).
Der miesepetrige Schriftsteller Leon (Thomas Schubert) trifft im Ostsee-Ferienhaus auf die verführerische Nadja (Paula Beer).

Als Christian Petzold anlässlich der Premiere von »Undine« auf der Berlinale 2020 ankündigte, dieser Film sei der erste Teil einer geplanten Trilogie zur deutschen Romantik unter Verwendung des Motivs der Elementargeister, war nicht zuletzt der Autor dieser Zeilen recht skeptisch. Immerhin ließ dies einen Schwenk weg von zeitrelevanten Themen – wie sie etwa in Petzolds vorhergehendem Exilfilm »Transit« (2018) nach dem gleichnamigen Buch von Anna Seghers zum Ausdruck kamen – hin zu irgendwelchen Geistern vermuten, von denen niemand wusste, welchen Bezug zur Gegenwart sie haben würden. Damals bestätigte »Undine«, der dem Wassergeist seine Reverenz erwies, diese Skepsis, was seinen Ausdruck in der eher verhaltenen Kritik in dieser Zeitung fand.

Nun also »Roter Himmel«, der zweite Teil der geplanten Trilogie, und zum Glück scheint man diese verquaste Sache mit den Naturgeistern nicht allzu ernst nehmen zu müssen. Paula Beer, die auch schon in »Undine« eine der beiden Hauptrollen spielte, ist diesmal in ihrer Rolle als Nadja ziemlich geerdet. Zuerst lernen wir aber Leon (Thomas Schubert) und den angehenden Kunststudenten Felix (Langston Uibel) kennen, die den Sommer zusammen in einem Ferienhaus an der Ostsee verbringen wollen. Leon ist Schriftsteller, gerade dabei, ein Buch zu vollenden, und erwartet demnächst den Lektor und dessen Urteil. Entsprechend nervös, miesepetrig und schlecht gelaunt stolpert er durch die Gegend und leidet an seiner Schreibblockade. Dass das Ferienhaus wegen mangelnder Absprache schon durch Nadja okkupiert ist, sich die Freunde deshalb das kleinere Zimmer teilen müssen und Nadja jede Nacht geräuschvoll Herrenbesuch empfängt, macht die Sache nicht besser. Während alle anderen sich schnell anfreunden, lieben, lachen und ausnehmend guter Ferienlaune sind, macht Leon tapsig jede Annäherung zunichte und hält Abstand. In der Ferne glüht der Himmel von sich nahenden Waldbränden wie ein Menetekel.

Die Handlung plätschert längere Zeit dahin, erst allmählich schält sich die Rolle Nadjas als treibende Kraft der Erzählung heraus. Sie dient als Kontrastfigur zu Leon, entzaubert sein Selbstverständnis als Schriftsteller mit ihrem schlichten Kommentar zu seinem Manuskript: »Du weißt selbst, dass es Bullshit ist«. Der Antagonismus zwischen beiden ist ein wenig zu überdeutlich gezeichnet: hier der ichbezogene Möchtegernschriftsteller, der keine Ahnung vom wirklichen Leben hat und dem die menschliche Reife für wahrhaftige Literatur fehlt; dort Nadja als der gute Geist, freundlich, zugewandt, nicht zuletzt verführerisch, der die geistig-seelische Entwicklung des Helden in der Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Umwelt anstoßen wird. In diesem Sinne ist »Roter Himmel« ein verfilmter Entwicklungsroman, ein gelungener, wie hinzugefügt werden darf. Im Gegensatz zu »Undine« enthält sich Petzold hier jeder mystischen Überhöhung und bleibt weitgehend auf dem Boden des Realismus, was dem Film guttut. Geblieben ist eine gewisse Stilisierung, die das Geschehen zu etwas Gleichnishaftem macht. Die Zeichen, Symbole und Verweise, die Petzold setzt, fügen sich jedoch organisch in die Handlung ein und geben ihr Halt.

Zum Katalysator der Entwicklung des Films wird schließlich der Besuch des Lektors (Matthias Brandt) im Ferienhaus. Leon muss miterleben, dass dieser sich mehr für Nadja und die Fotografien des Freundes zu interessieren scheint als für sein Buch. Sein Scheitern ist offenkundig. Die Zeichen mehren sich, die Waldbrände kommen näher, der Himmel färbt sich rot und es regnet Asche vom Himmel. Mehr darf an dieser Stelle nicht verraten werden, denn Petzold, der wie immer auch das Buch geschrieben hat, hält durchaus einige überraschende Wendungen in seiner Erlösungsgeschichte parat. Am Ende scheint immerhin die Ahnung auf, dass es doch noch etwas werden könnte mit Leons Schriftstellerlaufbahn.

Mit »Roter Himmel« ist Christian Petzold bereits zum fünften Mal im Wettbewerb der Berlinale vertreten. Ästhetisch bleibt er sich auch im aktuellen Film treu, die Bildgestaltung hat wie in den meisten seiner Filme Hans Fromm inne, der als stilbildend für die Bildästhetik der sogenannten »Berliner Schule« gilt. Visuelle Experimente sind seine Sache nicht, ruhig folgt die Kamera den Protagonisten und ordnet sich der Handlung unter. Die Szenen im und rund um das Haus wurden übrigens in Brandenburg gedreht, auch wenn der Film an der Ostsee spielt. Nie habe er jedoch, verriet Petzold in einem Interview, derartige Ansammlungen von scheußlichen Ferienhäusern gesehen, wie es sie mittlerweile an der Küste gibt.

»Roter Himmel«, Deutschland 2023. Regie und Buch: Christian Petzold. Mit: Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Enno Trebs, Matthias Brandt. 103. Min. Termine: Do, 23. 2., 9:00 Uhr: Verti Music Hall; Do, 23. 2., 18:30 Uhr: Haus der Berliner Festspiele; Fr, 24. 2., 18:00 Uhr: Kino im Zeiss-Großplanetarium; Sa, 26. 2., 10:00 Uhr: Berlinale Palast.

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