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Aktionstag in Spandau: Alleinerziehend, aber nicht alleine
Aktionstag will Sichtbarkeit, Anerkennung und Unterstützung für Ein-Eltern-Familien in Spandau bringen
Wenn man vernetzt ist, kommt man gut zurecht«, sagt Bettina Langner. Betül Bozkurt stimmt zu. »Klar ist es manchmal auch schwierig. Aber wenn die Überforderung mal zu groß ist, dann ist man beim Familientreff gut aufgehoben«, sagt sie. Die beiden Mütter sitzen am Mittwochmittag im Innenhof des Paul-Schneider-Hauses in Spandau und haben ihre kleinen Kinder samt Kinderwägen dabei. Die Kleinen schlafen gerade, deshalb begeben sich die zwei Mütter noch nicht nach drinnen ins Laute. Dort beginnt gerade ein kleines Konzert zur Mittagspause des Aktionstags für Alleinerziehende in Spandau, veranstaltet von der bezirklichen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Alleinerziehende und dem Trägerverein Eulalia Eigensinn.
»Solche Veranstaltungen wie hier sind super, um sich untereinander auszutauschen und sich gegenseitig moralische Unterstützung zu geben«, sagt Langner. Sie und Bozkurt wohnen im Spandauer Ortsteil Staaken und bringen sich dort aktiv im Familientreff ein. Das helfe, um auch mal mit Momenten der Überforderung klarzukommen, sagt Bozkurt. »Es sind sehr viele Alleinerziehende bei dem Familientreff«, so Langner.
Viele Alleinerziehende – das beschreibt nicht nur den Familientreff, sondern allgemein die Lage in Berlin und in Spandau. Berlinweit sind fast ein Drittel aller Familien Ein-Eltern-Familien. Alleinerziehend wird vom Statistikamt Berlin-Brandenburg so definiert, dass ein Elternteil mit mindestens einem minderjährigen Kind ohne eheliche*n oder nichteheliche*n Partner*in in einem Haushalt lebt. Laut den zur Verfügung stehenden Daten aus den Jahren 2020 und 2021 gibt es in Spandau 7930 Alleinerziehende. Das sind 31,9 Prozent aller in Spandau lebenden Familien, damit liegt Spandau über dem berlinweiten Durchschnitt. Auf der Internetseite zum Aktionstag ist angegeben, dass es aktuell sogar 13 500 Alleinerziehende im Bezirk seien. In einer Mitteilung des Bezirksamtes heißt es, die Quote liege über 33 Prozent.
»Spandau hat eine der höchsten Alleinerziehendenquoten in Berlin und unter den Alleinerziehenden eine der höchsten Armutsquoten«, sagt Len Saenger von der Anlauf- und Koordinierungsstelle »nd«. Saenger ist für die Koordination in Spandau zuständig und kümmert sich vorrangig um Netzwerkarbeit mit den Fachkräften und Akteur*innen sowie um die Verbesserung der Infrastruktur. Die Anlaufstelle steht derweil in direktem Kontakt mit den Alleinerziehenden und beriet Beratungen an. »Wir arbeiten natürlich eng zusammen«, so Kasia Kailoweit von der Anlaufstelle zu »nd«. So haben auch beide zusammen den Aktionstag hauptverantwortlich auf die Beine gestellt.
Der Aktionstag im Nachbarschaftszentrum Paul-Schneider-Haus will beides zusammenbringen: Einerseits können sich hier Fachakteur*innen vernetzen und an kleinen Infoständen ihre Angebote präsentieren, andererseits können sich Ein-Eltern-Familien informieren, ins Gespräch kommen und einen schönen Tag verbringen. Für Kinderbetreuung, Essen und Trinken ist dabei gesorgt, auch ein Wellnessprogramm mit kostenlosen Massagen und Entspannungsübungen wurde organisiert. »Wir wollten auch ein bisschen Entlastung bringen und Anerkennung zeigen. Das ist natürlich eher symbolisch an so einem Aktionstag«, sagt Saenger.
Kailoweit erzählt davon, dass Alleinerziehende ein großes Armutsrisiko, gerade im Alter, hätten und auch mental durch die große Verantwortung, für ein oder mehrere Kinder sorgen zu müssen, stark belastet und von Burnout gefährdet seien. Hinzu komme, dass viele alleinerziehende Frauen Opfer häuslicher Gewalt geworden seien. »Zu uns in die Beratung kommen viele Frauen, die sich aufgrund häuslicher Gewalt getrennt haben und nun alleinerziehend sind«, so Kailoweit. Spandau habe berlinweit die höchste Pro-Kopf-Quote bei häuslicher Gewalt, gebe aber gleichzeitig am wenigsten Geld für Frauenprojekte und zur Unterstützung der Betroffenen aus. »Wir selbst können den Bedarf an Beratung nicht decken«, sagt Kailoweit.
Ein anderes Problem sei, dass es im Bezirk nicht genügend Angebote für Kinderbetreuung gebe, was vor allem Alleinerziehende betreffe. Kaloweit und Saenger setzen sich deshalb für das Modell flexibler Kinderbetreuung ein. Dabei geht es darum, dass es Alleinerziehenden ermöglicht werden soll, ihre Kinder stundenweise betreuen zu lassen, ohne dass sie dafür bestimmte Gründe nachweisen müssen. »Eigentlich geht es um Gesundheitsvorsorge. Alleinerziehende haben oft keine Zeit, sich um sich selbst zu kümmern«, sagt Saenger. Es fehle an Gelegenheiten, eigene Termine bei Ärzt*innen zu organisieren, sich auszuruhen oder soziale Kontakte zu pflegen.
Durch die flexible Kinderbetreuung könnten diese Gelegenheiten geschaffen werden, ohne dass Alleinerziehende die notwendigen Betreuungsstunden privat aus eigener Tasche finanzieren müssten. »Das wäre ein Meilenstein. Dafür müsste der Bezirk aber auch Geld in die Hand nehmen«, sagt Saenger. Vorbild für das Programm ist der Bezirk Lichtenberg, wo es diese flexible Kinderbetreuung bereits gibt. »In den Ostbezirken ist man da generell schon etwas weiter. Dort gibt es, auch historisch gewachsen, eine größere Sensibilisierung für die Situation Alleinerziehender.«
Auch Anja Klamann setzt sich für die flexible Kinderbeteuung ein. »Es geht dabei um Gesundheit und Entlastung. Alle Alleinerziehenden haben ein Zeitproblem, egal ob wohlhabend oder nicht. Es fehlt die Zeit für die Selbstfürsorge«, sagt sie. Klamann arbeitet bei der Strukturstelle für berlinweite ergänzende, flexible Kinderbetreuung der Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender (Shia) und stellt am Aktionstag in Spandau verschiedene Betreuungsmöglichkeiten abseits von Kita und Hort vor. »Was es bereits auch in Spandau gibt, ist die ergänzende Kinderbetreuung«, sagt Klamann. Dadurch lassen sich über das Jugendamt Betreuungsstunden für die Kinder finanzieren, wenn Eltern über die Öffnungszeiten der Kita hinaus lohnarbeiten müssen.
Klamann berät während des Aktionstags einige Alleinerziehende zu den Betreuungsoptionen. Eine Mutter eines vierjährigen Kindes erzählt, dass sie wieder in ihren Job als Friseurin einsteigen möchte. Nun habe ihre Kita nur bis 17 Uhr offen, sie selbst habe aber erst um 18.30 Feierabend. Über das Jugendamt kann die ergänzende Kinderbetreuung für diesen Zeitraum beantragt werden, allerdings müssen dabei allerlei Nachweise erbracht werden. »Du brauchst einen Nachweis über die Öffnungszeiten der Kita und über deine eigenen Arbeitszeiten von deinem Arbeitgeber, das ist noch leicht. Du musst aber auch nachweisen, dass keine andere Betreuungsperson das Kind betreuen kann.«
Der letzte Punkt sei es, der oft Schwierigkeiten mache, denn in den meisten Fällen müssten dann alleinerziehende Mütter nachweisen, dass sorgeberechtigte Väter das Kind nicht betreuten. »Am besten ist es, wenn du alle Kommunikation mit dem Vater schriftlich nachweisen kannst. Keine Absprachen per Anruf, immer per Textnachricht. Dann kannst du dem Jugendamt zeigen, dass er wirklich nicht betreut«, erklärt Klamann.
Für Klamann sind die Hürden und Probleme für Alleinerziehende eine »frauenpolitische Frage«: Etwa 95 Prozent aller Alleinerziehenden seien Frauen. Diese litten außerdem besonders unter misogynen Stereotypen, dass sie etwa selbst daran Schuld seien, alleine dazustehen, oder dass sie ihr Leben nicht im Griff hätten. »Das stimmt überhaupt nicht. Alleinerziehende sind meistens super organisiert und arbeiten sehr effizient, um das überhaupt alles hinzubekommen«, sagt Klamann.
Auch das Bild, dass alleinerziehend zu sein bedeute, dass ein Elternteil fehle, sei falsch. »Ein-Eltern-Familien sind vollständig. Es ist eine mögliche Familienform neben anderen Familienformen«, sagt Klamann. Neben den Nachteilen wie dem erhöhten Armutsrisiko sei es ein Vorteil, die eigene Lebenswirklichkeit mit den Kindern aktiv gestalten zu können. »Vielen geht es nach der Trennung besser, weil dann Ruhe einkehrt.«
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