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Ella Carina Werner: Macht hoch das Tor, herein damit!

Feministisches Feuerwerk: Ella Carina Werner meint »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen«

  • Mirco Drewes
  • Lesedauer: 5 Min.
Geschäftsfrauen stehen im Büroflur
Geschäftsfrauen stehen im Büroflur

Ob auch Männer witzig sein können, steht in Ella Carina Werners Kurzgeschichten nicht zur Debatte. Und wird auch in diesem Text kein Thema sein. Fraglich ist vielmehr, ob eine humoristische Autorin, noch dazu als Mitherausgeberin und Kolumnistin der traditionsreichen Zeitschrift »Titanic« aus der ersten Reihe der deutschen Satirezunft, in etablierten Medien von »Spiegel« bis »Welt« so viel Lob erfahren darf, ohne verdächtig zu werden. Für ihren ersten Band Kurzgeschichten mit dem schönen Titel »Der Untergang des Abendkleides« wurde die aus Westfalen stammende Hamburgerin 2020 derart hymnisch besungen, dass sich skeptisch fragen lässt, was an ihrer Kunst derartige Reaktionen, ja, nicht nur hervorruft, vielmehr welche Eigenheiten dieses Gehudel dem konservativen Feuilleton überhaupt möglich machen.

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Hierzu muss erstens gesagt werden, dass ein ästhetisch zutreffendes Urteil selbst in der Springer-Presse nicht völlig ausgeschlossen ist. Und zweitens, dass Ella Carina Werner die Kunst des Beiläufigen, des Verkürzten und Verdichteten perfekt beherrscht. Eine Qualität, die es ihr ermöglicht, Ressentiments, Diskursabgründe und deren satirische Subversion, en passant, in Nebensätzen oder jähen Konklusionen unterzubringen, während scheinbar Alltagsgeschichten erzählt werden. Oder noch besser, weil entlarvender, das Kopfkino beim Lesen in Richtung ganz anderer, antrainierter Reflexmuster geworfen wird.

Ein Beispiel aus ihrem neuen Buch »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen«, in dem die Autorin über ihre erste Teenager-Liebe berichtet, verdeutlicht dies: »Wir wären für immer zusammengeblieben, wenn nur die interkulturellen Differenzen nicht gewesen wären. Er hatte eine andere Mentalität, war ein Supermacho, dominant und charakterlich ein Windei, ferner untreu, faul und triebgesteuert bis zu 24 Stunden am Tag, wie alle Katholiken.« Bumm.

Das Spiel mit Erwartungen und die satirische Umkehr symbolischer und realer Hegemoniekonzepte prägen die humorvollen Kurzgeschichten, die sich vordergründig um Alltagsbegegnungen, Mutter-Tochter-Beziehungen, Freundschaft und Älterwerden drehen. Von dem Verdacht, hier werde nette komische Frauenliteratur kredenzt, ist Ella Carina Werner freizusprechen. Ihre Sujets sind hochkomisch dargereichte Trojanische Pferde, in deren Innerem sich mit den scharfen Lanzenspitzen der Satire bewaffneter Feminismus befindet. Macht hoch das Tor, herein damit!

Die subversive Qualität der Werner’schen Texte scheint dem Rowohlt-Verlag selbst nicht ganz geheuer, eine kleine Entrückung ins Kuriose des Individuellen, in die freche Fröhlichkeit frevelnder Frauen zu sein. Anders ist das Covermotiv einer kontemplativ auf einem Bootssteg sitzenden Frau mit Longdrink nicht zu erklären, dem auch noch ein Authentizität brüllender Button »Geschichten aus meinem Leben« beigefügt wurde. Man lasse sich nicht täuschen, hier geht es ums Ganze: um die Fuckability-Taxierung mittelalter Männer, mansplainende Feministen, Hausarbeit als neue Form männlicher Selbstverwirklichung und Whisky-Verkostungen als feministische Erweckungszeremonien.

Ella Carina Werner schafft einen selten geleisteten Spagat: Ihre Kurzgeschichten sind voller satirischem Biss und getragen von übermütigem Feminismus, zugleich kommen sie ohne jede Kampfeswut, ohne Furor oder Übellaunigkeit aus. Das Handwerk der klassischen Satire bringt Werner mühelos und heiter mit dem Erzählen von Alltagsgeschichten zusammen. Die Kolumnistin und Lesebühnenautorin nutzt in ihren Geschichten Ironie als soziales Brennglas wie auch als literarisches Heilmittel. Ihre Figuren erscheinen, selbst wenn sie fragwürdige soziale Motivlagen zur Schau stellen, menschlich.

Eine selten gelesene Kunst ist das: philantrope Satire. Ironie, erklärt Ella Carina Werner im Gespräch, zeichne sich als Stilmittel des literarischen Feminismus durch zwei Vorzüge aus: »Sie bringt gewichtige Anliegen unterhaltsam und damit leichter verdaulich an die Leser*innen, sodass diese auf das Thema auch wirklich Bock haben. Außerdem werden mittels Ironie bestimmte Schieflagen ganz anders deutlich.«

Es ist diese Selbstverständlichkeit der Ironie, die auch das Rollenverständnis der Erzählerin gegenüber dem eigenen sozialen wie biologischen Geschlecht kennzeichnet. »Ich bin gern eine Frau«, heißt es in der gleichnamigen ersten Kurzgeschichte des Bandes. »Als Frau kann ich Sachen machen, die ich sonst nicht machen könnte. Zum Beispiel auf Frauenparkplätzen herumstehen, stundenlang, auch ohne Auto.« Das ist ein bisschen gaga, selbstironisch, baut Distanz gegenüber fremden Erwartungen an Frauen und Feministinnen auf, lässt im Patriarchat verweigerte Möglichkeiten weiblicher Selbstverwirklichung anklingen – und ist dabei sehr komisch.

Auch der Alterungsprozess der Frau lässt sich so als quasi naturgesetzlicher Gang der Geschichte zur weiblichen Emanzipation interpretieren, etwa wenn es zur Menopause heißt: »Endlich Sex ohne Befruchtungsangst, ohne Ziel und Verstand. Bumsen als interesseloses Wohlgefallen, quasi im Sinne Immanuel Kants.«

Die Frage, ob man Feminist*in sein muss, um die Geschichten von Ella Carina Werner zu mögen, beantwortet die Autorin selbst: »Diejenigen Autoren, die meinen ›Mein Buch ist da‹-Post auf Twitter geteilt haben, waren interessanterweise ausnahmslos männlich und kaum einer davon bekennender Feminist. Nein, man muss es nicht. Man kann sie auch einfach als lustige Alltagsgeschichten voller kleiner gesellschaftspolitischer Bosheiten lesen und kommt auch so vollauf auf seine Kosten.«

Dieser Befund könnte tatsächlich erklären, warum dieser feministischen Satirikerin sogar Lorbeeren aus konservativer Ecke zugestanden werden. Wer in ihren Texten eine humoristische Ausbuchstabierung aller Facetten des feministischen Diskurses erwartet, liegt ohnehin falsch, denn auf die Prätention, nicht persönlich betretene Erfahrungsräume literarisch auszumessen, wird verzichtet. Humor sollte man freilich zur Lektüre mitbringen. Der kann im Leben ohnehin nicht schaden.

Dass es mit der Sichtbarkeit und Förderung weiblichen Humors vorangeht, daran arbeitet Ella Carina Werner nicht nur als Autorin in eigener Sache. Als Herausgeberin der Anthologie »Niemand hat die Absicht, ein Matriarchat zu errichten« versammelte sie gemeinsam mit Comedienne Katinka Buddenkotte als Co-Herausgeberin Texte und Cartoons ausschließlich weiblicher Humorkünstlerinnen. Eine Erfahrung, die Werners Blick auf Frauen im Männerbusiness Humor geschärft hat: »Spätestens seit der Anthologie empfinde ich eine sehr große Solidarität mit anderen Humoristinnen, trete gern in rein weiblichen Gruppierungen auf. Konkurrenz spüre ich da wenig, auch wenn beispielsweise die Texte von Kirsten Fuchs oder die Bühnenpräsenz einer Hazel Brugger gewiss beneidenswert sind. Konkurrenz empfinde ich eher gegenüber einigen männlichen Geschichtenschreibern bzw. Bestsellerautoren wie Wladimir Kaminer oder Jan Weiler, weil ich mir denke: Warum sind die mit ihren Geschichten so irre erfolgreich und kaum Frauen? Da verspüre ich schon den Ehrgeiz, irgendwann mal genauso viele Leser*innen zu haben wie diese alten Platzhirsche.«

Daran, dass bald mehr Platzhirschinnen das Feld dominieren, auch und gerade alte Platzhirschinnen, arbeitet Ella Carina Werner erfolgreich und inspiriert.

Ella Carina Werner: Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen. Rowohlt, 176 S., br., 13 €.

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