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Zu selten erkannt, immer gefährlich
Immer noch gibt es unter Laien und medizinischen Profis zu wenig Wissen über die Sepsis
Den in der letzten Woche begangenen Welt-Sepsis-Tag gibt es seit 2012. Um ein erfreuliches Ereignis handelt es sich dabei nicht, denn diese schwerste Verlaufsform einer Infektion fordert immer noch zu viele Todesopfer und Krankheitstage. Eine Sepsis entsteht, wenn bei der körpereigenen Abwehr gegen eine Infektion Organe und Gewebe geschädigt werden. Breiten sich die Erreger über das Lymph- und Blutgefäßsystem aus, überreagiert das Immunsystem und greift körpereigene Zellen und Strukturen an.
Mitunter wird die Sepsis immer noch »nur« mit einer Blutvergiftung gleichgesetzt, als deren wichtigstes Symptom der zum Herzen führende rote »Strich« auf dem Arm verstanden. Dieser weist auf eine Entzündung der Lymphbahnen hin, aus der sich aber eine Sepsis entwickeln kann. Der Weg zum Arzt ist hier so oder so angeraten. Entstehen kann eine Sepsis aus jeder Infektion. Häufigste Auslöser sind Bakterien, aber auch alle anderen Erreger sind möglich.
Besonders gefährdet sind alle Menschen mit einem herabgesetzten Immunsystem, etwa Säuglinge oder die über 60-Jährigen. Aber auch chronisch Kranke wie Diabetiker oder Krebspatienten gehören dazu. Zu den Symptomen zählen ein plötzlich sehr starkes Krankheitsgefühl, hohes Fieber, erhöhter Puls, niedriger oder abfallender Blutdruck sowie Verwirrtheit und Atemnot.
Das Problem bei der Sepsis besteht vor allem darin, dass die wenig eindeutigen Symptome dafür nicht nur in der Bevölkerung zu schlecht bekannt sind, auch in Krankenhäusern und bei medizinischem Personal fehlt es an Wissen, vor allem jedoch an verpflichtenden Prozeduren, diese Gefahr in den Griff zu bekommen. Letzteres ist durchaus möglich. Vorreiter in Deutschland ist hier das Universitätsklinikum Greifswald, wo es gelungen ist, die Sepsis-Sterblichkeit stark zu reduzieren. Auf allen Stationen wurde das Personal für das Problem sensibilisiert. So kann bei ersten Anzeichen den Patienten Blut abgenommen werden, um dann schnell auf den Erreger zu reagieren. Bei einer Veranstaltung verschiedener Organisationen zum Welt-Sepsis-Tag in dieser Woche in Berlin wurde unter anderem kritisiert, dass bei der Diagnostik der Erreger die in der Regel nachts und am Wochenende geschlossenen mikrobiologischen Labore zu einem zu starken Zeitverlust führen.
Frühes Erkennen und schnelles Behandeln sind die Schwerpunkte von Sepsis-Kampagnen auch hierzulande. Denn die aus der Bahn geratene Infektion ist immer ein Notfall. Solange es nicht gelingt, hier etwa Qualitätsstandards in allen Krankenhäusern durchzusetzen, werden die Opferzahlen weiter hoch sein. Die Sepsis ist aber kein reines Klinikproblem, zum Beispiel durch die sogenannten Krankenhauskeime. Ein großer Teil der Fälle wird außerhalb verursacht. Vorbeugen lässt sich unter anderem durch simple Hygiene, aber auch durch Impfungen, etwa gegen Streptokokken, die häufigsten Erreger einer bakteriellen Lungenentzündung.
Die schwere Komplikation von Infektionen fordert jedes Jahr weltweit 14 Millionen Tote. Wobei die Zahl noch viel höher sein könnte. Ausgewertet werden konnten für Deutschland die Krankenhausentlassdaten. Demnach gibt es hierzulande jährlich 150 000 schwere Sepsisfälle. 40 Prozent der in Krankenhäusern verstorbenen Patienten erlagen Sepsisfolgen. Diese Daten sind auch deshalb optimistisch, weil nicht alle Fälle dokumentiert werden. Die Jenaer Ärztin und Wissenschaftlerin Carolin Fleischmann-Struzek hält die Zahlen für deutlich unterschätzt, sie wären vermutlich zwei- bis dreimal so hoch. Ähnliche Diskussionen um Dokumentation und Realität gebe es etwa in den USA.
Die Dimension der Erkrankung zeigt sich nicht nur in Krankheitslast und Sterblichkeit im Akutfall. Überlebende haben in der Folgezeit ein hohes Sterblichkeitsrisiko. Zu den häufigen Langzeitfolgen gehört eine neu auftretende Pflegebedürftigkeit in etwa 30 Prozent der Fälle. Drei von vier Überlebenden erhalten im Jahr nach der Sepsis eine neue Krankheitsdiagnose. Darunter sind kardiovaskuläre Leiden, Angsterkrankungen und chronische Erschöpfung, auch nach leichteren Sepsisverläufen. Zwei Drittel der Überlebenden müssen deshalb wieder stationär aufgenommen werden. Zudem sind 25 Prozent der Sepsispatienten nach zwölf Monaten nicht wieder erwerbstätig. Errechnet wurde, dass allein für Behandlung und Nachsorge im ersten Jahr in Deutschland 4,5 Milliarden Euro nötig sind. Indirekte Kosten, wie Krankengeld, kommen hinzu. Frühe Diagnostik und schnelle Therapie sind also auch deshalb äußerst wichtig.
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