Von unten nach oben

Ein Traum, der im Gefängnis endet: die Linke und das Kapital versöhnen. Die spannende und lehrreiche Netflix-Serie »Tapie«

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer Millionär werden will, braucht als erstes einen kleinen Sportwagen: Laurent Lafette als Bernhard Tapie.
Wer Millionär werden will, braucht als erstes einen kleinen Sportwagen: Laurent Lafette als Bernhard Tapie.

Kann ein Unternehmer als linkspopulistischer Politiker und Freund der Gewerkschaften in den Wahlkampf ziehen? Diesen Spagat versuchte der französische Unternehmer Bernard Tapie, der 2021 im Alter von 78 Jahren verstorben ist und dessen Leben nun in der siebenteiligen Netflix-Miniserie »Tapie« recht lebendig und äußerst spannend erzählt wird. Der Pariser Klempnersohn fuhr als junger Mann Autorennen, machte eine erfolglose Karriere als Chanson-Sänger, verdiente sein erstes Geld mit einer Discounter-Kette für Küchengeräte, baute mit einem Arzt zusammen einen privaten Notfalldienst für Herzinfarkte auf, um aus dem völlig überlasteten Gesundheitssystem Kapital zu schlagen, kaufte 1990 die Marke Adidas, gewann als Präsident von Olympique Marseille die Champions League und war Minister im Kabinett von Mitterrand.

Bernard Tapie (Laurent Lafitte) träumte schon früh davon, Millionär zu werden, was ihm auch gelang. Dass er zunächst immer wieder scheiterte, weil er aus einfachen Verhältnissen kam und die Codes der Reichen und Mächtigen nicht verstand, inszeniert die Serie recht eindrucksvoll. Insofern erzählt dieser aufwändig gemachte zeitgeschichtliche Siebenteiler auch viel von der französischen Klassengesellschaft, in der es Tapie bis ganz oben schaffen wollte. Nur fiel er dann auch sehr tief.

Tapie könne die Linke mit dem Kapitalismus versöhnen, sagt der junge Chef der Partei »Mouvement des radicaux de gauche«, für die Bernard Tapie Anfang der 90er in den Wahlkampf ziehen sollte, in der Serie. Ausgerechnet in den 70er und 80er Jahren, als Unternehmer Produktionsstandorte aus Europa auslagerten, um Kosten einzusparen und die damals noch starken Gewerkschaften zu schwächen, investierte Tapie in französische Firmen, ohne Mitarbeiter zu entlassen. Das machte ihn bei Gewerkschaften beliebt. Nur wie das im stets profitorientierten Kapitalismus so ist, funktioniert das nur bis zu einem bestimmten Punkt, will man profitorientiert handeln. Und das wollte Tapie! Insofern war seine Arbeiterfreundlichkeit vor allem eine unternehmerische Strategie.

Das bringt die Serie wunderbar auf den Punkt. Sie zeigt, unter welchem Druck dann auch der kapitalistische Unternehmer steht. Tapie ging es eben immer mehr um den Schein als um das Sein. Und vor allem um seine eigenen Gewinne, um gemütlich auf der Yacht vor Marseille im schillernden Prunk zu leben. Auch wenn die Serie fast schon Sympathie und Mitleid mit dem anfangs vor allem als Verlierer auftretenden Tapie erzeugt, zeigt sie diesen Mann mit all seinen Widersprüchen und auch unangenehmen Seiten.

In den 90ern kam es zum großen Absturz Tapies, der sich auch einmal als TV-Moderator versuchte und stets im Clinch mit dem gewerkschaftsnahen, proletarischen Vater (Patrick d'Assumçao), einem Pariser Klempner, stand. Tapies Mischkonzern, den er mit seiner zweiten Ehefrau Dominique (Joséphine Japy) führte, musste Insolvenz anmelden, wegen Betrugs ging der Unternehmer sogar für einige Monate ins Gefängnis. Tapie hatte ausgerechnet auf dem Höhepunkt des sportlichen Erfolgs von Olympique Marseille ein Ligaspiel verschoben, um die eh schon fast gewonnene Meisterschaft zu sichern.

Mit dem Gefängnisaufenthalt endet die Serie. Dabei war Tapie zuletzt vor allem wegen einer rekordverdächtigen Schadensersatzforderung gegenüber Crédit Lyonnais in den Schlagzeilen. Ein Schiedsgericht hatte ihm über 400 Millionen Euro zugesprochen. Im Zuge dessen gab es später auch Ermittlungen gegen Teile der französischen Regierung, unter anderem gegen die damalige Wirtschaftsministerin und derzeitige EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Davon erzählt die Serie ebenso wenig wie von Tapies späterer Unterstützung für Nicolas Sarkozy in dessen Wahlkämpfen 2007 und 2011. Wahrscheinlich passte der Rechtsruck auch besser zum millionenschweren Unternehmer. Ob Netflix daraus noch eine zweite Staffel macht, bleibt abzuwarten. Bernard Tapies Familie ist von der Serie übrigens nicht begeistert und hat sich in den Medien empört gezeigt.

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