Narges Mohammadi: Preis für feministischen Widerstand im Iran

Die inhaftierte iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi erhält den Friedensnobelpreis für ihr politisches Engagement

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie ist eine der Ikonen des Widerstands iranischer Frauen gegen das islamische Regime im Iran: Die Frauenrechtlerin Narges Mohammadi, 51 Jahre, wird in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Den Preis kann sie selbst nicht entgegennehmen, seit November 2021 sitzt sie wieder in Haft im berüchtigten Foltergefängnis Ewin in Teheran. Seit 1998 wurde Mohammadi wiederholt inhaftiert und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Sie ist auch nicht die erste Nobelpreisträgerin, die zum Zeitpunkt der Ehrung einsitzt. So befand sich der deutsche Pazifist Carl von Ossietzky zum Zeitpunkt der Verleihung des Friedensnobelpreises 1935 in einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten.

Dass eine iranische Aktivistin in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet würde, war fast zu erwarten: Die von Frauen angetriebene Revolte gegen Unterdrückung und Gewalt, nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini, hatte die Welt monatelang in Atem gehalten. Ihre Parole »Frau, Leben, Freiheit« ging durch die Medien, ein Umsturz des iranischen Regimes schien greifbar. Dazu ist es zwar noch nicht gekommen. Aber die Aktivist*innen wollen nicht aufgeben, allen voran Narges Mohammadi. »Je mehr von uns sie einsperren, desto stärker werden wir«, sagte sie vor wenigen Monaten in einem Interview mit der »New York Times«.

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Mohammadi hält den Wandel im Iran für »unumkehrbar«, wie sie aus ihrer Zelle heraus in einem schriftlichen Interview von Mitte September mit der Nachrichtenagentur AFP erklärte: Die Proteste hätten die große Unzufriedenheit der Menschen im Iran deutlich gemacht, schrieb die Frauenrechtlerin. »Die Regierung war nicht in der Lage, die Proteste der Menschen im Iran zu unterbinden, und ich glaube, dass die Gesellschaft Dinge erreicht hat, die das Fundament der religiös-autoritären Herrschaft geschwächt haben.«

Nach »44 Jahren der Unterdrückung, Diskriminierung und anhaltender Repression der Regierung gegen Frauen im öffentlichen und Privatleben« hätten die Proteste den Prozess zu »Demokratie, Frieden und Gleichheit im Iran« beschleunigt, so Mohammadi, und Menschen »jenseits urbaner Zentren und gebildeter Gruppen« erreicht.

Sie selbst befindet sich in einer fast ausweglosen Situation: Acht Jahre habe sie ihre Kinder nicht gesehen und sie sehe »fast keine Perspektive auf Freiheit«. Dennoch führe sie ihren Kampf weiter. Die Revolte des vergangenen Jahres konnte Mohammadi nur aus dem Gefängnis heraus verfolgen. Ende 2022 brachte sie einen Bericht ans Licht, der mutmaßliche Folter und sexuelle Gewalt an Dutzenden Frauen in Hochsicherheitsgefängnis Ewin aufdeckte. Umso mehr zeugt die Preisverleihung von Anerkennung für den politischen Kampf iranischer Frauen und verleiht ihnen ein zweites Gesicht – nach dem der getöteten Jina Mahsa Amini.

Die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, ließ bei der Bekanntgabe am Freitag in Oslo keinen Zweifel aufkommen: Mohammadi bekomme den prestigeträchtigen Preis »für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle«. Quasi als Ausweis ihres politischen Engagements unterstrich Reiss-Andersen, dass Mohammadi 13 Mal festgenommen und fünf Mal verurteilt worden sei; die Strafen beliefen sich auf zusammengenommen 31 Jahre Gefängnis und 154 Peitschenhiebe.

Erwartungsgemäß trafen aus aller Welt Glückwünsche ein und Aufforderungen an die Machthaber in Teheran, Mohammadi freizulassen. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem wichtigen Signal für den Kampf gegen Unterdrückung. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, forderte »die sofortige Freilassung der diesjährigen Friedensnobelpreisträgerin«. Auch die Vereinten Nationen forderten die Freilassung Mohammadis und aller inhaftierten Menschenrechtsverteidiger im Iran.

Deutliche Worte, die aber keine Folgen zeitigen. Seit langem kritisieren iranische Aktivist*innen die weiche Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Islamischen Republik Iran. Auch Narges Mohammadi übte Kritik am Verhalten westlicher Länder, das sie als »Beschwichtigungspolitik« verurteilte. Ausländische Regierungen hätten »nicht die progressiven Kräfte und Anführer im Iran anerkannt« und stattdessen mit ihrer Politik das »religiös-autoritäre System« aufrechterhalten.

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