- Kultur
- Leben im Untergrund
Abschied von Bert Papenfuß
An der Volksbühne wurde einem großen Fußnoten-Dichter und Kneipenpolitiker gedacht
Am Samstag wurde der anarchistische Dichter Bert Papenfuß in Berlin beerdigt, er war Ende August im Alter von 67 Jahren gestorben. Am Freitagabend gab es in der ausverkauften Volksbühne einen Abschiedsabend für den Mann, der sich als »Untergrunddichter im Vorruhestand« begriff und der als solcher lange Gedichte mit langen Fußnoten etabliert hatte. Mit den Fußnoten wies er auf wichtige Fragen und Bezüge hin, bevor’s keiner versteht oder mißversteht.
Orientiert am Titel der Veranstaltung »An mir solls nicht liegen, ich bin nicht totzukriegen – für Bert Papenfuß« beendete der Schriftsteller Peter Wawerzinek seinen Auftritt mit den Worten »Bis später, dein Peter«. Dann nahm er an einem Tisch Platz, an dem links auf der Bühne die Papenfuß-Gefährten saßen, tranken und auch rauchten, als wäre die Bühne eine Kneipe. Ab und zu standen sie auf und gingen zum Mikrofon in der Mitte und lasen einen Text, andere mussten dafür aus dem Publikum auf die Bühne laufen.
Der Philosoph Guillaume Paoli würdigte ausdrücklich die »Doppelexistenz« von Papenfuß als »Dichter und Kneipier« und dessen legendäre, mittlerweile geschlossene Gaststätten »Kaffee Burger« und »Rumbalotte«. Er wies auf die Pointe hin, dass die Investoren Papenfuß sozusagen auf Schritt und Tritt folgten. Das von ihm miterfundene »Knochengeld« sollte ein alternatives Zahlungsmittel für Eingeweihte sein, doch die Galeristen und Sammler waren begeistert und sackten es ein. Begriff er das »Burger« ursprünglich als »Brückenkopf« des linksoppositionellen Kulturuntergrunds, war die von ihm dort herbeigeholte »staatsferne Szene eher FDP als Bakunin« und transformierte die einst proletarisch-dunkle Torstraße zu einer langweiligen Ausgehmeile, wie sich Paoli erinnerte.
Über die Verteuerung und Vereinzelung im kapitalistischen Realismus und die Verödung und Verblödung der Nacht hat sich Papenfuß verschiedentlich ausgelassen, in den von ihm mitgegründeten Zeitschriften »Sklaven«, »Gegner«, »TorTour« und »Abwärts«. Bei »Sklaven« in den 90ern war Annett Gröschner die einzige Frau – und las ironisch Papenfuß’ Lob der Ostfrau aus dieser Zeit: »Die Ostfrau an sich hat ein Herz für die Gastronomie.« Jan Faktor las einen Dialog aus seinem Buch »Trottel«, den er aus Papenfuß-Gedichten collagiert hatte, und dann spielten Ornament und Verbrechen, mit denen Papenfuß früher in der DDR aufgetreten war (improvisierte Musik und deklamierte Gedichte in einer Front) sowie Herbst in Peking.
Dazwischen gab es gar nicht so alte Ausschnitte aus einem Dokumentarfilm, in dem Papenfuß ausnahmsweise weder trinkend noch rauchend (aber mit der obligatorischen Mütze) zu sehen ist, wie er sein politisches Programm ausführte: 1. Wahlboykott, 2. Generalstreik, 3. Vergesellschaftung, denn »Demokratie und Kapitalismus widersprechen sich«. Kleines Problem am Rande, wie er einräumte: Die Leute glauben seit cirka 5000 Jahren an das Privateigentum, weil sie meinen, sie hätten was zu verlieren. Bloß was, das bleibt die Frage.
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