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Gökay Akbulut: Keine Sicherheitsgarantien für Abgeordnete

Dutzende Deutsche in der Türkei unter Terrorismusverdacht

Gökay Akbulut im Januar in einer Sitzung des Deutschen Bundestages. In der Türkei war die Abgeordnete wegen »Propaganda für eine Terrororganisation« festgenommen worden.
Gökay Akbulut im Januar in einer Sitzung des Deutschen Bundestages. In der Türkei war die Abgeordnete wegen »Propaganda für eine Terrororganisation« festgenommen worden.

Die Bundesregierung will sich gegenüber der Türkei »mit Nachdruck« für die Freilassung der Abgeordneten Gökay Akbulut eingesetzt haben. Das schreibt das Auswärtige Amt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag. Berlin habe jedoch »keinen Anlass daran zu zweifeln«, dass die türkische Regierung den Status von Abgeordneten bei offiziellen Reisen »gemäß international gängiger Praxis respektiert«.

Akbulut war am 3. August bei der Einreise in die Türkei am Flughafen von Antalya wegen »Propaganda für eine Terrororganisation« festgenommen und auf ein Polizeirevier gebracht worden. Grundlage war ein Haftbefehl des Amtsgerichts Kayseri. Die Parlamentarierin wurde selbst dann noch festgehalten, als sie sich als deutsche Bundestagsabgeordnete zu erkennen gab. Erst nach mehreren Stunden wurde sie wieder freigelassen und konnte ihre Reise fortsetzen.

Die Linke-Abgeordnete ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Ihre Reise war jedoch nicht offiziell angemeldet. Trotzdem müsse die Bundesregierung deutlich widersprechen, wenn eine Abgeordnete in der Türkei willkürlich festgenommen wird, sagt Akbulut unserer Zeitung. »Eine derartige Appeasement-Politik gegenüber der Erdoğan-Regierung ist völlig unangebracht und wird diese nur darin bestärken, auch in Zukunft ähnlich übergriffig gegen andere deutsche Parlamentarier vorzugehen.«

Im Falle Akbuluts will sich die Bundesregierung gegenüber türkischen Stellen »auf diversen Kanälen hochrangig und mit Nachdruck« für ihre sofortige Freilassung eingesetzt haben. Für die Ansprache von derartigen »Einzelfällen« gegenüber ausländischen Regierungen berücksichtige Berlin auch »mögliche Auswirkungen einer solchen Ansprache auf etwaige künftige Fälle«. In einem Nebensatz bestätigt das Auswärtige Amt das Vorhandensein »rechtsstaatlicher Defizite« in der Türkei, auch diese würden regelmäßig gegenüber der Regierung in Ankara thematisiert.

In der Antwort präzisiert das Ministerium Angaben zur Verfolgung deutscher Staatsangehöriger in der Türkei. Demnach befinden sich dort 62 Deutsche in Haft, in 13 Fällen sei der Grund »Vorwürfe unter Antiterrorgesetzen«. 66 deutsche Staatsangehörige seien mit einer Ausreisesperre belegt, heißt es weiter, 25 von ihnen wegen Verstoßes gegen »Antiterrorgesetze«. Allein im laufenden Jahr waren 16 neue Fälle bekannt geworden, davon die Hälfte im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen. Das hatte die Bundesregierung vergangene Woche auf eine weitere Kleine Anfrage mitgeteilt. Zudem sei in diesem Jahr bereits 43 deutschen Staatsangehörigen die Einreise in die Türkei verweigert worden, heißt es in der aktuellen Antwort.

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