Kürzungen im Busfahrplan: Berlin aus dem Rhythmus

Die BVG schränkt den Busverkehr auf 44 Linien ein – Linke sieht Schuld beim Senat

Die Linie 100, gerade bei Tourist*innen beliebt, wird künftig seltener verkehren.
Die Linie 100, gerade bei Tourist*innen beliebt, wird künftig seltener verkehren.

Hier einen Monat Sperrung auf der U8, dort jahrelange Bauarbeiten auf der U6 samt Zehn-Minuten-Takt nach Kabelklau: Im Berliner Nahverkehr ächzt und knackt es längst an allen Ecken und Enden, doch die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen sich gezwungen, den Busverkehr zeitnah bedeutend auszudünnen.

Bei Kristian Ronneburg, dem verkehrspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sorgt das für Frust. »Das Fatale ist, dass nun auch Buslinien in Außenbezirken darunter leiden«, teilt der Abgeordnete »nd« mit. Gerade dort seien die Menschen auf einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Ronneburg rechnet mit lang anhaltenden Einschränkungen: »Weder die BVG noch der Senat geben hier klare Ziele aus, wann wir wieder zum Normalfahrplan zurückkehren können.« Es räche sich, dass der Senat seit Amtsantritt der CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner keinerlei Maßnahmen zur Beschleunigung des Busverkehrs ergriffen habe.

Ab 10. Dezember wird der neue Busfahrplan mit seinen verhältnismäßig umfangreichen Änderungen gelten. Nur noch alle Viertelstunde soll die beliebte Innenstadt-Linie 100 künftig verkehren, für die Linien 200 und 300 steht sogar der Wechsel zum 20-Minuten-Takt an. Komplett eingestellt wird die Linie 310 zwischen S-Bahnhof Charlottenburg und Uhlandstraße. Auch die Linien M19 und M29 sollen außerhalb der Stoßzeiten nur noch alle 20 Minuten fahren.

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Insgesamt 44 Buslinien sind von den Fahrplanänderungen betroffen, rund 3,5 Prozent der eigentlichen Fahrleistung im Busbereich machen die Kürzungen aus. Zusammen mit bereits geltenden Anpassungen komme man auf 6 Prozent, die zum Normalbetrieb fehlen, heißt es in einer BVG-Mitteilung vom Dienstag. »Es schmerzt mich auch persönlich sehr, dass wir diese Angebotsreduzierungen beim Bus nun ergreifen müssen«, wird BVG-Vorstand Rolf Erfurt zitiert. »Damit schaffen wir aber das, was für unsere Fahrgäste am wichtigsten ist: Verlässlichkeit.«

Bereits Mitte November hatte die BVG die Änderungen angekündigt. Die Verkehrsbetriebe verweisen auf die angespannte Situation am Arbeitsmarkt. Rund 350 Busfahrer*innen fehlen dem Unternehmen aktuell. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will die BVG ihr Werben um potenzielle Beschäftigte intensivieren und Arbeitsbedingungen verbessern. Auch der Fahrdienst soll beschleunigt und angenehmer für Passagier*innen und Beschäftigte werden.

Für besonders wichtig hält Linke-Politiker Ronneburg die von der BVG geplante Änderung des Schichtsystems. »Grundsätzlich muss der Job familienfreundlicher werden«, erklärt der Abgeordnete. Zudem müsse die Bezahlung verbessert werden. Die Hauptschuld sieht Ronneburg allerdings nicht bei der BVG. »Der Senat bleibt weiter untätig«, führt er aus. Damit Busse schneller vorankommen, brauche es ein Sofortprogramm für Busspuren und Ampel-Vorrangschaltungen. Der Bus brauche klaren Vorrang, doch: »Das Ressort wird nun von einer Senatorin verantwortet, deren Partei in den letzten Jahren eine Party veranstaltet hat, wenn eine Busspur erfolgreich weggeklagt worden ist.«

Auch auf Berlins Schienen läuft es derzeit nicht rund. Durch die vielen Sanierungsarbeiten, die im U-Bahnnetz anfallen, gibt es eigentlich weniger aktive Strecken zu betreuen. Trotzdem legt eine Anfrage Ronneburgs offen: Schon nach drei Quartalen wurden 2023 mehr Verspätungen bei der U-Bahn gemeldet als im gesamten Jahr 2022. Um mehr als 16 Prozent stieg die Zahl der Störungsmeldungen zwischen Januar und September 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 12 Prozent sind es bei der Berliner S-Bahn, die von der Deutschen Bahn (DB) betrieben wird. Dafür liegt hier die Zahl der Zugausfälle schon jetzt über dem Gesamtwert von 2022.

Die Liste der Erklärungen von BVG und DB ist lang: Notrufe, Weichenprobleme, Personalausfälle durch Krankheit oder Streik, defekte Fahrzeuge und Türen, die kaputtgehen, weil Passagier*innen zu grob damit umspringen. Mit lauteren Schließ-Signalen und zusätzlichen Ansagen will die BVG an den schonenden Umgang mit U-Bahntüren erinnern.

Während es zunehmend Probleme und Reperaturbedarf bei älteren Wagen zu geben scheint, wartet die BVG noch immer auf Lieferungen des Herstellers Stadler. Das Schweizer Unternehmen wollte schon Ende 2022 erste Testfahrzeuge zur Verfügung stellen, klagt jedoch über Lieferkettenprobleme. Zugleich muss die BVG ihre Werkstätten unter hohem Zeitdruck ausbauen: Von derzeit knapp 1300 U-Bahnwagen soll der Fuhrpark 2029 auf fast 1800 Fahrzeuge anwachsen. Auch hierfür braucht es Fachkräfte.

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