• Politik
  • Umstrittene Elektroschocker

Bundespolizei beschafft Taser mit mehr Leistung

Nunmehr dreijährige Testphase wird auf Berliner Hauptbahnhof erweitert

Seit November 2020 testet die Bundespolizei an drei Standorten die Verwendung von Tasern im Kontroll- und Streifendienst. Zum Einsatz kommt das Modell »Taser X2« der US-Firma Axon. Nun wird die Erprobungsphase um das leistungsfähigere Gerät »Taser 7« erweitert. Das schreibt das Bundesinnenministerium in der Antwort auf die Anfrage eines CDU/CSU-Abgeordneten. Bis Mitte 2024 will die Bundespolizei demnach einen Abschlussbericht für die Tests vorlegen. Dann will die Bundesregierung über die flächendeckende Einführung und die Rechtsgrundlage der Taser entscheiden.

Die als Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) bezeichneten Taser können im Kontakt- und Distanzmodus benutzt werden. Im Distanzmodus werden zwei an Kupferdrähten befestigte Pfeile verschossen, die sich in der Haut oder der Kleidung verhaken. Dann fließt für fünf Sekunden Strom mit einer Spannung von 50 000 Volt und lähmt die Muskulatur der beschossenen Person. Vorher können die Polizisten einen Lichtbogen auslösen, mit dem der spätere Einsatz angezeigt wird. Die Reichweite seiner Taser gibt der Hersteller mit über sieben Meter an. Im Kontaktmodus wird das Gerät direkt am Körper der Zielperson angelegt, bei der Bundespolizei ist dies aber nur in Notwehr- oder Nothilfesituationen erlaubt.

Mit Stand Ende November befinden sich bei der Bundespolizei 24 »Taser X2« im Einsatz. Die Testphase erfolgte bislang nur am Berliner Ostbahnhof, in Kaiserslautern und Frankfurt am Main. Nun kommt der Berliner Hauptbahnhof mit dem Modell »Taser 7« hinzu, dort sollten laut dem Bundesministerium 32 Geräte angeschafft werden.

Wie auch in den anderen Direktionen gilt der Taser am größten Berliner Bahnhof als »Hilfsmittel der körperlichen Gewalt«. Das DEIG ist demnach nicht wie Spezialeinheiten der Schusswaffe gleichgestellt, sondern wird wie Pfefferspray oder Schlagstock genutzt.

Der »Taser 7« trifft die Zielperson mit größerer Wucht als das Vorgängermodell, dadurch wird auch die Kleidung leichter durchdrungen. Durch eine stabilisierte Flugbahn soll sich auch die Einsatzreichweite erhöhen. Zudem wird das Zielen mit einem lichtstarken Laser erleichtert. Beim Ziehen aus dem Holster kann automatisch eine mitgeführte Bodycam eingeschaltet werden, diese Funktion ist bei den Kameras der Bundespolizei aber derzeit nicht möglich.

Die »Erprobungsdienststellen« der Bundespolizei loben die »deeskalierende Wirkung« der Geräte, schreibt die Zeitschrift der Bundespolizei in ihrer Frühlingsausgabe. Bereits die Androhung oder das Ziehen des »Zwangsmittels« schrecke viele »potenzielle Gewalttäter« ab. Das Zielen mit dem Laser oder die Auslösung des Lichtbogens erzeuge in den meisten Fällen eine »Kooperationsbereitschaft des polizeilichen Gegenübers«.

Tatsächlich ist die Zahl der Einsätze im Testbetrieb der Bundespolizei niedrig. Für den Zeitraum November 2020 bis Oktober 2023 gab es laut dem Bundesinnenministerium in Berlin 17 Androhungen und zwei Auslösungen, in Koblenz 70 Androhungen und sieben Auslösungen. Für Frankfurt werden keine Zahlen genannt.

Als erstes Bundesland hatte Rheinland-Pfalz Ende 2018 die Taser für die Polizei im Kontroll- und Streifendienst eingeführt, inzwischen gehören sie in rund der Hälfte aller Landespolizeien zur Ausstattung. In den übrigen Bundesländern dürfen sie ausschließlich von Spezialeinheiten eingesetzt werden. Landesregierungen wie zum Beispiel Bayern und Berlin weiten den Einsatz für den Streifendienst indes aus.

Ohne Risiko ist der Einsatz der Taser nicht, bei Älteren, Schwangeren und Menschen mit gesundheitlichen Problemen kann er tödliche Folgen haben. Bislang sind mindestens acht Todesfälle bei Tasereinsätzen in Deutschland bekannt. Die Opfer starben dabei an Herz- oder Kreislaufstillstand, Organversagen oder sind an Erbrochenem erstickt. Anders als bei Polizeikugeln ist bei der Obduktion aber schwer nachweisbar, dass die Elektroschocks die tatsächliche Todesursache waren.

In Nordrhein-Westfalen ist das Zwangsmittel deshalb umstritten – auch zwischen den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen. Dort hatte ein Student mithilfe der Plattform Frag den Staat im Sommer erfolgreich auf die Herausgabe der geheim gehaltenen Dienstanweisung für die Taser geklagt.

Bislang werden Taser nur gegen einzelne Personen eingesetzt, bald könnten sie auch bei Menschenansammlungen gezogen werden. Mit Blick auf Gewalt gegen Einsatzkräfte bei »Silvester-Krawallen« regt der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) laut einem dpa-Bericht an, Taser in allen Bundesländern einzuführen. Ein entsprechendes Schreiben habe Buschmann an Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) geschickt, die Vorsitzende der Justizministerkonferenz der Länder ist. Dort wird der Vorschlag vermutlich in der Frühjahrssitzung unter dem Vorsitz von Brandenburg beraten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.