• Berlin
  • Holocaust-Verharmlosung

Lehrer wegen Volksverhetzung verurteilt

Rüdiger B. verbreitete Videos mit der Inschrift »Impfung macht frei« auf dem Auschwitz-Tor

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Weder medienscheu noch unzufrieden: Rüdiger B. (links) mit seinem Anwalt Tobias Gall (AfD).
Weder medienscheu noch unzufrieden: Rüdiger B. (links) mit seinem Anwalt Tobias Gall (AfD).

Sein Lächeln wirkt, als würde es Rüdiger B. gefallen, vor Prozessbeginn von mehreren Journalist*innen fotografiert zu werden. Der ehemalige Medienberufsschullehrer muss sich am Donnerstag wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten – und wird dafür auch verurteilt. Gegenstand der Klage sind zwei Videos, in denen er das Auschwitz-Tor mit der Inschrift »Impfung macht frei« zeigte und im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vom »größten Völkermord aller Zeiten« sprach.

226-mal aufgerufen und neunmal positiv bewertet wurde eines der Videos von B. auf Youtube. Beide Videos, die Gegenstand der Anklage sind, wurden kurz nach der Veröffentlichung von der Plattform entfernt. »Es würde mich nicht wundern, wenn der ein oder andere Interesse gezeigt hätte«, sagt er und schaut stolz ins Publikum.

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Der Strafprozess am zweiten Tag findet statt, weil B. gegen den erlassenen Strafbefehl wegen Volksverhetzung von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro Einspruch erhoben hat. Der Staatsanwalt schlägt in seinem Plädoyer vor, das Strafmaß auf 120 Tage zu erhöhen für den Lehrer, der den Holocaust verharmlost habe.

In der Vergangenheit war Rüdiger B. schon gegen seine fristlose Kündigung durch das Land Berlin vor Gericht gegangen. In zweiter Instanz wurde ihm Recht und eine Abfindung in Höhe von 72 000 Euro zugesprochen. Seine Anstellung bekam er nicht wieder.

Vertreten wird der Angeklagte B. in diesem Prozess vom Anwalt Tobias Gall, der in der Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf (AfD) sitzt und auf X, vormals Twitter, vor wenigen Tagen erst die Aussage, Björn Höcke sei ein Nazi, als »Wahnvorstellungen« eines »normal hassverwirrten Antifanten« bezeichnete.

Im 45-minütigen Verteidigungsplädoyer weist Gall den Holocaust-Vergleich durch B. nicht zurück, sieht darin keine Verharmlosung und spricht selbst von einer »sogenannten Pandemie«. B. habe lediglich ausdrücken wollen, »dass alles schon mal da gewesen sei«, und sich am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) orientiert, der sagte: »Impfen ist der Weg zur Freiheit.« Wissenschaftler würden ständig Vergleiche zu historischen Sachverhalten ziehen. Außerdem habe B. das Auschwitz-Bild nicht selbst erstellt, sondern nur verwendet. Medienrechtsanwältin Rebecca Richter spricht gegenüber »nd« von einer »hanebüchenen Argumentation«.

Dass Rüdiger B. Zuspruch findet, zeigt sich an der regen Teilnahme der Zuschauer*innen, die Galls Plädoyer an nicht nur einer Stelle hörbar zustimmen. Kurz vor der Urteilsverkündigung wird das »nd« von einer Zuschauerin gefragt, ob es die Wahrheit berichten werde. Sie wünsche sich eine Berichterstattung jenseits von »links und rechts« und mehr Verständnis dafür, warum der Angeklagte so gehandelt habe.

Richterin Stoppa spricht Fall Rüdiger B. für die Holocaust-Verharmlosung schuldig und orientiert sich damit auch am Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts vom März 2023, das die Verbreitung des Bildes eines Konzentrationslagers mit der Aufschrift »Impfen macht frei« für Volksverhetzung erklärte. Rüdiger B. wurde zu 120 Tagessätzen à 25 Euro verurteilt, wogegen er innerhalb einer Woche in Revision gehen kann.

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