Werbung

Kalte Entmietung in Niederschöneweide

Bewohner der Fennstraße 31 beklagen Verwahrlosung des Hauses

Ein Wasserhahn für alle: Notfallversorgung in der Fennstraße
Ein Wasserhahn für alle: Notfallversorgung in der Fennstraße

»Der Vermieter möchte alle raushaben. Deshalb lässt er das Haus verwahrlosen. Er hat Wasser und Heizung abgestellt und lässt den Müll nicht mehr abholen.« Die Bewohner*innen der Fennstr. 31 in Niederschöneweide erheben schwere Vorwürfe gegen ihren Vermieter. Über das Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma*-Empowerment (Bare) haben sie einen offenen Brief veröffentlicht. »Kalte Entmietung« nennt man das, was die Bewohner*innen anprangern: erst Vertreibung durch Verwahrlosung, dann Sanierung und ein teurer Verkauf der Immobilie.

In dem Haus in Niederschöneweide, das mehrheitlich von Roma*-Familien bewohnt wird, deutet einiges auf eine solche Entmietungs-Taktik hin. Im Februar wurde der Wasserzähler im Auftrag des Eigentümers von den Berliner Wasserbetrieben (BWB) abgebaut. Die BWB haben eine Behelfslösung auf der Straße installiert. »Seit zwei Monaten haben wir kein fließend Wasser! Das heißt, wir können in unseren Wohnungen nicht mehr duschen, wir können keine Wäsche mehr waschen! Das Wasser müssen wir uns mühsam an einer provisorischen Wasserentnahmestelle an der Straßenecke holen«, heißt es im offenen Brief. Der Bezirk Treptow-Köpenick teilte dem »nd« mit, dass dieser Zustand immer noch nicht behoben sei.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Selbst die Müllentsorgung wurde eingestellt. In einem von Bare veröffentlichten Video erzählt ein anonymisierter Bewohner, dass der Eigentümer den Vertrag mit der BSR gekündigt habe. »Er hat viele Wege gesucht, unser Leben hier negativ zu beeinflussen«, so der Bewohner weiter. Ein anderer Bewohner beklagt, dass es keinen Hausmeister gebe: »Ich musste einspringen, hier putzen und den Müll einsammeln.«

Die Schritte, die die Hausverwaltung in den vergangenen Monaten unternommen hat, sind nur die Eskalation eines schon länger schwelenden Konflikts. Bereits im Mai 2023 versuchte sie, die Bewohner*innen aus ihren Wohnungen zu schmeißen (»nd« berichtete), damals unter Verweis auf vermeintlich nicht gültige Mietverträge.

Die Mieterberatung der Asum hatte sich bereits im Zuge dieser Auseinandersetzung die Mietverträge der Bewohner*innen angeschaut. Sie hätten unterschiedliche Befristungskonstruktionen vorgefunden, die aber im wesentlichen rechtlich unwirksam gewesen seien. Die Verträge seien dementsprechend unbefristet, erklärt Knut Beyer, Geschäftsführer der Asum gegenüber »nd«. »Die Vermieterseite ist sehr lässig mit den Mietverträgen umgegangen. Das fällt der Eigentümerseite jetzt auf die Füße, weil einfach so können sie die Leute nicht rausschmeißen.«

Der Eigentümer strebe eine Sanierung an, teilt die verantwortliche Bezirksstadträtin Claudia Leistner »nd« mit. »Das Bestreben des Bezirkes ist es, dass die Bewohnenden bestmöglich unterstützt werden.« Dafür sei man mit dem Eigentümer im Gespräch, so Leistner weiter. Ziel sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der »alle Umstände, die sich nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der in dem Haus wohnenden Menschen auswirken«, weitestgehend vermeide. Das Bezirksamt werde auch weiterhin das Vorgehen eng begleiten und alle Maßnahmen ergreifen, um die Menschen vor Ort zu schützen, so Leistner weiter.

Das Haus wurde bis vor Kurzem von der HKI Consulting verwaltet. Deren Geschäftsführer Kai Berger teilte »nd« allerdings mit, dass der Vertrag mit dem Eigentümer auf Eis liege. Erst wenn das Haus leer sei, werde er die Aufgaben wieder wahrenehmen. Der Eigentümer ist nach letzten Erkenntnissen die IPG V GmbH. Deren Geschäftsführer, Matteo Colusso, ist auch bei zahlreichen anderen Immobilienfirmen als Geschäftsführer ausgewiesen und reagierte nicht auf nd-Anfrage.

Die Bewohner*innen wollen trotz aller Schwierigkeiten bleiben. »Wir wohnen hier zum Teil schon seit Jahren, zum Teil seit ein paar Monaten. Hier ist unser Zuhause! Unsere Kinder gehen in der Nachbarschaft zur Schule«, schreiben sie in ihrem offenen Brief.

Das Bündnis Bare sieht im Fall der Fennstraße 31 mehrere Mechanismen am Werk. Auf dem ohnehin prekären Berliner Wohnungsmarkt hätten mehrfach diskriminierte Personen kaum eine Chance, menschenwürdige Mietverhältnisse zu finden. »Insbesondere in Armut gehaltene migrantisierte Menschen, darunter Roma*, werden somit ungeschützt einem diskriminierenden und ausbeuterischen Wohnungsmarkt ausgesetzt.« Neben der konkreten Hilfe für die Bewohner*innen fordert das Bündnis deswegen auch: »Es braucht ein Mehr an gemeinwohlorientiertem Wohnen!«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.