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- Luisa Neubauer beim Theatertreffen
Kunst, Klima, Katastrophe
Kunstgewerbe: Luisa Neubauer hält im Rahmen des Berliner Theatertreffens eine »Rede in Es-Dur«
Unangenehme Erinnerungen werden wach: Ein wenig ist es so wie damals in den Nullerjahren, als man – die Gründe sind heute verborgen, aber man machte das so – Poetry Slams aufsuchte. Die Texte waren häufig krude, die Vortragsweise bewegte sich jenseits der Gesetze von Rhythmus und Metrik, dazu wurde in merkwürdigster Art gestikuliert. Das durchweg bürgerliche Publikum wähnte, etwas ganz Neuem beizuwohnen. Dabei handelte es sich doch nur um ein in Übersee schon eineinhalb Jahrzehnte zuvor aufgekommenes popkulturelles Phänomen, das man jetzt mühevoll imitierte.
Aber wir befinden uns nicht mehr in den Nullerjahren. Wir sind im Haus der Berliner Festspiele, und das Theatertreffen feiert seine 61. Ausgabe. Für das Rahmenprogramm hat man sich Luisa Neubauer eingeladen, die eine »Rede in Es-Dur« zu halten angetreten ist.
Warum eigentlich? Die kurzfristig ins Amt gehobene neue Theatertreffen-Leiterin Nora Hertlein-Hull verantwortete zuvor am Thalia Theater Hamburg die Lessingtage, die traditionell mit einer Rede eröffnet werden. In diesem Jahr hatte Neubauer die Ehre. Und weil Anlässe austauschbar sind, was einmal über die Bühne ging, auch ein zweites Mal gegeben werden darf, tut die Rednerin in Berlin, was bereits in Hamburg Wirkung zeigte. Die etwas konstruierte Rechtfertigung, Neubauers »Lecture Performance« trete in Dialog mit der Eröffnungsinszenierung des Theatertreffens, »Nathan der Weise«, der ja immerhin auch von Lessing stammt, überzeugt wohl kaum jemanden.
Anders als bei den Poetry Slams der Vergangenheit rauscht hier kein schlechtgelaunter Indiepop aus den Lautsprechern, sondern es erklingt Beethovens »Cavatina«. Schönen Dank an das Ensemble Resonanz! Das könnte ein schöner Ausgleich zum Theatertreffen-Trubel sein – würde die Komposition nicht als Hintergrundfolie für Gedanken der schlichteren Art genutzt.
Luisa Neubauer, die beharrlich als Aktivistin gelabelt wird, gleichwohl aber Mitglied der Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen ist, redet über das Thema, das sie sich zu eigen gemacht hat: die Klimakatastrophe. Dagegen ist nichts einzuwenden, der bloße Realitätssinn fordert die Auseinandersetzung heraus. Aber man wird eine Klimakatastrophe nicht abwenden, indem man das geneigte Publikum in eine Kunstkatastrophe stürzt.
Kürzlich hatte Fridays for Future, zu deren Schlüsselfiguren in Deutschland Neubauer zählt, angekündigt, sich in den Europawahlkampf durch so bezeichnete »Kunstaktionen« einzubringen. Wie darf man sich das vorstellen? Alsbald hat man ein Plakat mit einem Schriftzug an einer Brücke befestigt. Auch dagegen ist nichts einzuwenden. Allerdings – das mag ein wenig Aktion bedeuten, aber mit Kunst hat das nichts zu tun.
Nun steht Neubauer im Haus der Berliner Festspiele und spricht in die Musik hinein. Sie gestikuliert irre umher (auch der erhobene Zeigefinger fehlt nicht), als wollte sie ein paar Geister beschwören. Vom einen Thema geht es zum nächsten, von Voyager 1 und 2 zu Lessing und zu Elon Musk. Wäre da keine Musik, die Kaiserin stünde nackt da mit dieser angeblichen Rede.
Neubauer changiert zwischen bemühter Überartikulation und Rückfall zur sympathischen hamburgischen Konsonantenabsorption. Sie sagt »bebombt« und hält das für ein Wort der deutschen Sprache. Sie scherzt ein wenig, aber nicht so sehr, dass man wirklich lachen würde. Sie zeichnet die heraufziehenden Katastrophen für uns nach, aber nicht in so düsteren Farben, dass man verzweifeln müsste. Sie beklagt den Verlust des Glaubens. Und tatsächlich klingt hier alles wie eine Mischung aus Kirchentagslyrik und Selbsthilfeprosa. »Wir sind alles, was wir haben, also sind wir auch alles, was wir brauchen.« Der Satz könnte durchaus ein Kalenderblatt füllen.
Aber dann geht sie noch weiter: »Dass wir jetzt aber in einer Hoffnungskrise stecken, ist die Hoffnung selber.« Man ahnt, dass hier jemand »Walter Benjamin für Eilige« studiert hat, um ihn halbverstanden ans Publikum weiterzureichen. Das Hoffnungsvolle darf nicht fehlen – zunächst erwartet uns das Martyrium, dann kommt die Erlösung. Neubauers »Rede in Es-Dur« dauerte vierzig Minuten. Das aktivistische Kunstgewerbe bleibt die Feindin der Kunst.
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