- Politik
- Bayern und Thüringen
Wieder Repression gegen Antifas
Festnahme in Nürnberg, neue öffentliche Fahndung in Erfurt, Bundesanwaltschaft will alle Fäden in der Hand halten
Wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung« hat die Bundesanwaltschaft am Montag in Nürnberg die 29-jährige Aktivistin Hanna S. festnehmen lassen. Den Haftbefehl hatte zuvor der Bundesgerichtshof erlassen; nach einer Hausdurchsuchung wurde die deutsche Staatsangehörige in Untersuchungshaft gebracht. Ihre Festnahme steht im Zusammenhang mit Protesten gegen den »Tag der Ehre« vor einem Jahr in Budapest. Das Ersuchen stammte vom Landeskriminalamt (LKA) in Sachsen.
In der ungarischen Hautptstadt sollen die Mitglieder der behaupteten Vereinigung mindestens fünf körperliche Angriffe auf Personen verübt haben, die sie dem rechten Spektrum zurechneten. Hanna S. habe sich der Bundesanwaltschaft zufolge am 10. und 11. Februar 2023 an zwei »Überfällen auf öffentlichen Plätzen« beteiligt, ihr wird deshalb gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Insgesamt seien dabei drei Personen »mit Schlagstöcken und anderem Schlagwerkzeug« angegriffen und mit Pfefferspray besprüht worden. Bei den Geschädigten habe dies »multiple Prellungen und Platzwunden« hinterlassen.
Wegen ähnlicher Vorwürfe begann Ende Januar in Budapest die Verhandlung gegen die Deutschen Tobias E. und Anna M. sowie die Italienerin Ilaria Salis. Tobias E. hat den Vereinigungsvorwurf dabei zugegeben. Eine weitere in dem Verfahren gesuchte Person wurde in Finnland festgenommen. Die Auslieferung des ebenfalls aus Italien stammenden Gabriele Marchesi lehnt die dortige Staatsanwaltschaft wegen unzumutbarer Haftbedingungen in Budapest ab. Im Gefängnis in Dresden wartet die von Unterstützern Maja genannte Aktivistin auf die Entscheidung zur Auslieferung.
Am Montagabend haben in Nürnberg rund 250 Menschen spontan gegen die Verhaftung von Hanna S. demonstriert. Erwartet wird, dass ihr ebenfalls in Budapest der Prozess gemacht werden soll. Das kritisiert die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe: »Unter der Orbán-Regierung sind die ungarischen Gerichte längst nicht mehr unabhängig. Den Gefangenen droht in der Haft psychisches und körperliches Leid«, sagte eine Sprecherin des Bundesvorstandes.
Nach jüngsten Angaben des Bundeskriminalamtes wird im Budapest-Komplex nach zehn weiteren Antifaschisten aus Deutschland gefahndet. Ob Hanna S. eine dieser Gesuchten ist, bleibt derzeit unklar. Einige der Betroffenen haben über ihre Anwälte erklären lassen, sich stellen zu wollen. Zur Bedingung hieß es, dass ihnen statt in Ungarn in Deutschland ein fairer Prozess gemacht werden soll. Bislang gingen die Justizbehörden auf das Angebot nicht ein.
Die Festgenommenen und Gesuchten sollen dem Netzwerk Antifa-Ost angehören, aus dem heraus auch in Deutschland Angriffe auf Rechtsextreme erfolgten. Dazu ermittelt das LKA in Sachsen.
Am Montag hat das LKA in Thüringen wegen einer ähnlichen Tat in Erfurt eine Öffentlichkeitsfahndung gegen eine unbekannte Frau gestartet. Einen Tag vor dem Angriff auf zwei Rechtsextreme im Januar 2023 soll sie diese ausgespäht haben, so der Verdacht. Wegen früherer Vorfälle und »Überschneidungen« zu den Angriffen in Budapest könnte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernehmen, berichtet der MDR unter Berufung auf Beamte in Thüringen und Sachsen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.