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Serie »Big Cigar«: Leben auf der Flucht nach vorn
Die Serie »Big Cigar« erzählt von Huey Newton, der Black Panther Party und der Hilfe Hollywoods bei seiner Flucht aus den USA nach Kuba
Als der Black-Panther-Party-Mitgründer Huey Newton (Andre Holland) Anfang der 1970er Jahre nachts von einer Polizeistreife kontrolliert, dabei von Beamten rassistisch beschimpft wird und aus dem Wagen aussteigen muss, hat er Todesangst. Diese Szene in der Apple TV+-Serie »Big Cigar« zeigt die Kontinuität rassistischer Polizeigewalt in den USA und verleiht diesem manchmal etwas zu stylish geratenen Polit-Biopic-Sechsteiler hohe Aktualität.
Deswegen sind im Epilog von »Big Cigar«, in dem Huey Newton im kubanischen Exil über die Zukunft antirassistischer Kämpfe sinniert, auch Bilder von Black-Lives-Matter-Demonstrationen nach dem Mord an George Floyd zu sehen. »Big Cigar« erzählt von der Flucht Huey Newtons ins kubanische Exil Mitte der 70er Jahre, um sich einer offenbar politisch motivierten Anklage wegen Mordes zu entziehen, die Jahre später von einem US-Gericht als unbegründet zurückgewiesen wurde. Unterstützung für die Flucht von Los Angeles über Mexiko nach Kuba findet der damals Anfang Dreißigjährige beim Hollywood-Produzenten Bert Schneider (Alessandro Nivola). Der hatte 1969 mit dem Kult-Film »Easy Rider« die Gegenkultur für die Filmindustrie verwertet, pflegte aber auch freundschaftlichen Umgang mit der 68-Legende Abbie Hoffmann, den er während seiner Zeit im Untergrund finanziell unterstützt haben soll.
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Mit dem befreundeten Huey Newton wollte der auf linke Politfilme spezialisierte Schneider eigentlich einen Film über dessen Leben und seine politischen Kämpfe drehen, wozu es aber wegen der Flucht nie kam. Stattdessen wurde »Big Cigar« zu einem gefakten Filmprojekt, um die Flucht Newtons zu organisieren, nach dem damals das FBI fahndete und der medial zum meist gesuchten Mann in den USA gemacht wurde.
Dabei erzählt die Serie ebenso von der Gründung der kommunistischen Black Panther Party in der Bay Area und von den Grabenkämpfen zwischen Huey Newton und Bobby Seale (Jordane Christie) um die Ausrichtung der Gruppe zwischen revolutionärer Militanz, sozialen Stadtteilprojekten und parlamentarischen Optionen – bewarb sich Seale doch vergeblich um den Bürgermeisterposten in Oakland. Dabei springt »Big Cigar« in schnellen Schnitten wild durch die Zeit, mal in die 60er, dann in die 70er und fächert dabei ein ganzes Panorama der damaligen antirassistischen Kämpfe und der Biografie Newtons auf. Es geht um seinen Gefängnisaufenthalt Anfang der 70er, um seinen Drogenkonsum, die Beziehung zu Gwen Fontaine (Tifanny Boone), die er während seiner Flucht heiratete, zu seinem Vater, einem langjährigen Bürgerrechtsaktivisten und sein Kokettieren mit Hollywood, das ihm einige seiner Genossen übelnahmen.
»Big Cigar« wartet mit jeder Menge Soulmusik auf und setzt stellenweise etwas zu bemüht auf die Ästhetik der Blaxploitation-Filme der 70er. Das Besondere an dieser Geschichte, die auf einem Artikel des Journalisten Joshua Bearman vor einigen Jahren beruht, ist der Schulterschluss zwischen dem Filmproduzenten und dem Polit-Aktivisten, wobei auch die Frage aufgeworfen wird, wie weit Schneiders Solidarität für Huey Newton wirklich ging. War das alles auch Teil seines beruflichen Interesses?
Newton selbst übt irgendwann massive Kritik an Schneider, der die Flucht zum Teil sehr stümperhaft organisiert, selbst nie in Gefahr gerät und auch mal koksend auf einer Film-Party in Los Angeles versumpft, während sein Kumpel Huey auf ihn wartet, um sich endlich Richtung Mexiko auf den Weg zu machen. Auf jeden Fall bietet die Serie Spannung und lädt ein zum Mitfiebern, wenn Huey Newton dem FBI davonläuft.
»Big Cigar« kann übrigens pünktlich zum 70. Jahrestag des Urteils des Obersten Gerichtshofes im Fall »Brown gegen Board of Education« gestreamt werden, das Schwarzen Schülern den Zugang zu allen öffentlichen Schulen in den USA ermöglichte und als einer der Meilensteine der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gilt.
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