Dieter Frielinghaus: Seelsorger und Friedenspfarrer

Zum Tod des Theologen Dieter Frielinghaus

  • Horsta Krum
  • Lesedauer: 3 Min.
Pfarrer Dieter Frielinghaus
Pfarrer Dieter Frielinghaus

Anfang der Siebzigerjahre traf ich, ganz junge Pastorin, Dieter Frielinghaus zum ersten Mal. Es war während einer Zusammenkunft von reformierten Pfarrern der DDR. Reformiert nennen sich evangelische Kirchen, die nicht in der Tradition Luthers stehen, sondern in der Tradition des französischen Reformators Jean Calvin. Reformiert war und ist Dieter Frielinghaus, Jahrgang 1928, sein ganzes Leben geblieben: Kein Aufhebens um die Person (Calvins letzte Ruhestätte ist unbekannt), der Theologe ist nicht Pfarr-Herr, sondern Pastor, der sich von den anderen nur dadurch unterscheidet, dass er Theologie studiert hat; keine großen Gesten, keine Symbole, die das Auge fesseln, nicht einmal ein Kreuz, geschweige denn ein Kruzifix; der einzige wichtige Gegenstand ist die Bibel, deren Texte sind immer wieder neu zu bedenken, zu verstehen und zu leben.

In Frankreich sind die Reformierten (Hugenotten) entweder verfolgt oder geduldet gewesen, ganz anders als die reichen, staatstragenden Kirchen bei uns, östlich des Rheins. Dieter Frielinghaus brauchte nicht umzudenken, als er 1957 von der Bundesrepublik in die DDR ging, denn die Trennung von Staat und Kirche und die eher bescheidene Rolle der Kirche entsprechen durchaus reformiertem Kirchenverständnis. Darauf hat er sich auch nach 1990 berufen, als die ehemaligen DDR-Kirchen sich im neuen, nun wieder größer gewordenen Deutschland einrichteten. Die meisten seiner theologischen Kollegen nahmen ihn nicht ernst. Einer sagte: Den sehe ich noch vor mir und höre ihn noch, dass es jetzt mehr gäbe als Theologie.

Schon während der ersten Begegnungen fiel mir auf, dass Dieter Frielinghaus konsequent die Frage nach Frieden und Gerechtigkeit stellte und den Ausdruck »Friedenspfarrer« nicht als Beschimpfung empfand, wie es damals gemeint war. Frieden und Gerechtigkeit sind Grundbegriffe der Bibel und ziehen sich also durch viele seiner Predigten und Bibelauslegungen, nicht als allgemeingültige Begriffe, sondern durchaus konkretisiert und aktualisiert. Den Reichtum der westlichen Länder und die zunehmende Armut der südlichen Länder hat er einen Skandal genannt. Einige seiner Predigten finden sich in den »Weißenseer Blättern« abgedruckt und in kleinen kirchlichen Publikationen.

Seine Grundüberzeugung hat ihn aber nicht zum Agitator gemacht. Dieter Frielinghaus war Seelsorger. Etwas davon spürte ich während der Zusammenkünfte seiner Bergholzer Gemeinde in der Uckermark. Auch die Atmosphäre, die Gisela Frielinghaus im Pfarrhaus schuf, spielte eine Rolle.

Als Pastorin aus dem Westen hatte ich im Laufe der Jahre viele Wünsche meiner Kollegen aus dem Osten zu erfüllen. Waren die Wünsche zu groß für mich – zu viel Geld oder zu viel Material, beispielsweise zu nötigen Bausanierungen oder zur Ausstattung für Küche oder Bad im Pfarrhaus – fielen sie in die Zuständigkeit des französischen Militärpfarrers. Der war Offizier der französischen Besatzungsmacht und konnte jederzeit ohne Kontrolle die Grenze passieren. Wie viele kirchliche Institutionen, Pfarrgemeinden, Einzelpersonen von ihm profitierten, ist im Dunkel der Vergangenheit verschwunden. Von den Wünschen der beiden Frielinghaus’ wurde ich nicht »behelligt«, obwohl sie und ihre drei Kinder im alten Dorfpfarrhaus wenig Komfort, aber viel Mühe hatten, besonders im Winter.

In seinen letzten Lebensjahren hat Dieter Frielinghaus die Sorge um die Zukunft seiner Kinder und Enkel beschäftigt und beunruhigt, dass »Friedenspfarrer« – ach, wenn es doch mehr davon gäbe! – wieder zu einem Schimpfwort wird.

Dieter Frielinghaus ist am 16. Mai verstorben.

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