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Kamasi Washington: Furchtloser Tanz ohne Kitt
Kamasi Washington entdeckt den Tanz für den Jazz neu
Ständig in Bewegung sein, das ist die neoliberale Doktrin der vergangenen 30 Jahre. Denn wo Stillstand herrscht, ist die Vermarktungsmaschinerie am Ende. Doch der Leitspruch lässt sich auch anders auslegen. Der US-amerikanische Tenorsaxofonist Kamasi Washington wagt auf seinem neuen Album »Fearless Movement« eine Neudefinition, im Zentrum steht der Tanz.
Für ihn sei Tanz »Bewegung und Ausdruck«, gab er jüngst zu Protokoll. Wie in der Musik drücke man »seinen Geist durch seinen Körper aus.« Hört man Washingtons Musik, bleibt einem auch gar nichts anderes übrig, als sich in eine nicht enden wollende Bewegungsschleife zu begeben. Das war schon vor neun Jahren so, als Washington mit seinem monumentalen Debütalbum »The Epic« ein ungeahntes Jazz-Revival auslöste.
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Über 50 Musiker*innen waren damals an den Aufnahmen beteiligt, knapp drei Stunden Musik verteilt auf drei Langspielplatten waren das Ergebnis. Als er wollte den Jazz mit aller Gewalt ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Dazu passte seine Selbststilisierung: Wie ein Jazz-Prophet ließ er sich dabei, in weite Gewänder eingehüllt, ablichten.
Auf »Fearless Movement« ist der Sound nun entschlackter, wenngleich noch nicht schlank. Die symphonischen, mitunter spirituell anmutenden Klänge der vergangenen Platten sind in den Hintergrund gerückt, stattdessen setzt Washington auf Querverbindungen, die weit über den traditionellen Jazzsound hinausweisen. So arbeitet er auf dem Album erstmals mit Hip-Hop-Elementen und greift dafür auf die Unterstützung etablierter Acts zurück, etwa auf Terrace Martin, George Clinton, Brandon Coleman, BJ The Chicago Kid und vielen anderen.
Im Eröffnungstrack »Lesanu« paraphrasiert er ein Gebet in Ge’ez, der Sprache der äthiopisch-orthodoxen Bibel. Eine Atmosphäre der Beschwörung entsteht, bevor Washington mitsamt seiner Band in einem Crescendo allmählich das Zepter übernimmt. In der ersten Hälfte des Tracks dominiert das Piano und er beschränkt sich auf wenige Saxofon-Einsprengsel. Erst in der zweiten Hälfte bekommt sein Saxofon mehr Anteile. Überhaupt scheint dies – aller Selbststilisierung zum Trotz – eines seiner Erfolgsgeheimnisse zu sein: Seine musikalischen Visionen sind größer als sein Drang, sich in den Vordergrund spielen zu wollen. Bekanntermaßen ist das nicht selbstverständlich im Jazz-Kosmos.
In dem Lied danach, »Asha The First« gibt es Soli des US-amerikanischen Bassisten Thundercat, bevor die Brüder Taj und Ras Austin mit Rap-Einlagen brillieren. In »Computer Love« wiederum greift Washington auf zärtliche Soul-Elemente und die warme Stimme von Patrice Quinn zurück, die dafür sorgt, dass die neuneinhalb Minuten des Songs – eine eher moderate Liedlänge für Washington – wie im Flug vergehen.
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Trotz der unbestrittenen Klasse dieser musikalischen Einlagen fehlt in der Vielfalt der stilistischen Elemente mitunter der Kitt, der sie zusammenhält. Die zweite Hälfte des Albums, in der Washington auf Kollaborationen mit anderen Musiker*innen verzichtet, wirkt dadurch musikalisch runder. So ist »Fearless Movement« ein sehr gutes Jazzalbum, aber kein zweiter Meilenstein nach »The Epic«.
Kamasi Washington: »Fearless Movement« (Beggars Group/Indigo)
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