Kita-Bericht: »Mitarbeiter nehmen die Beine in die Hand«

Personalmangel, Unterfinanzierung, fehlende Inklusion: Der Kita-Bericht des Paritätischen zeichnet kein rosiges Bild

Eine gute Nachricht: Es gibt endlich Zahlen zur Inklusion an deutschen Kitas. Abgesehen davon findet sich nur wenig Positives im Kita-Bericht, wie Niels Espenhorst, Referent für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Gesamtverbands, zugibt. Der Bericht orientiert sich inhaltlich an den Handlungsfeldern des 2019 in Kraft getretenen Gute-KiTa-Gesetzes, um, laut Definition des Paritätischen, »Anspruch und Wirklichkeit« zu vergleichen. »Die Zahlen sind ein alarmierendes Zeichen dafür, dass wir unseren Ansprüchen nicht mehr gerecht werden«, sagt Espenhorst.

Die Anforderungen zu Inklusion, die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen, konkretisierte die Ampel zuletzt 2021 durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Laut Kita-Bericht fehlt es 61 Prozent der Einrichtungen an pädagogischem Personal mit Qualifikationen in jenem Bereich. Ausnahmen sind Berlin und Thüringen. »Aber zwei von 16 Ländern sind alles andere als ausreichend«, so Espenhorst.

Ähnlich sieht es bei räumlichen Voraussetzungen für Teilhabe aus. In 56 Prozent der Einrichtungen sind diese nicht zufriedenstellend. Derzeit gibt es mit Ausnahme von Berlin keine Förderprogramme für Investitionen in die räumliche Infrastruktur. So fehlt es an barrierefreien Zugängen. Personal aus Kitas berichte, es trägt Kinder mit Einschränkungen »morgens die Treppen der Einrichtung hinauf und abends wieder hinunter«, erzählt Espenhorst. Die räumliche Ausstattung hängt eng damit zusammen, wie leicht oder schwer alle Kinder an Aktivitäten teilnehmen können, die ihren Altersstufen entsprechen. »Der Raum ist nicht nur der dritte Pädagoge, er kann auch der dritte Heilpädagoge sein«, führt Espenhorst aus. In der Regel würden kleine räumliche Veränderungen bereits helfen. Was laut Bericht insbesondere Kindern im autistischen Spektrum zugutekäme, ist eine Reduzierung der Gruppengrößen. In Einrichtungen im Osten wird aktuell aufgrund der Alterung der Bevölkerung über die Schließung von Kitas diskutiert. Dort könnte diese Maßnahme eine Chance sein.

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Auch der restliche Bericht liest sich nicht rosig. In 72 Prozent der Einrichtungen leisten Mitarbeitende regelmäßig Überstunden, um die Betreuung zu garantieren. Rund 120 000 Stellen sind unbesetzt, in einem Fünftel der Einrichtungen können wegen des Personalmangels nicht alle Plätze belegt werden. Leitungskräfte leisten häufig Aushilfstätigkeiten, da dafür das Personal fehlt. Künftig werden mehr Angestellte von Zeitarbeitsfirmen geschickt, schätzt der Paritätische. Viele Kitas sind mehrfach belastet, im Osten betrifft das 28 Prozent der Einrichtungen. Fast die Hälfte können die Kinder nicht mit ausgewogener Ernährung versorgen, weil die Kostenentwicklung bei der Refinanzierung nicht vollständig berücksichtigt wird. »Wenn die Einrichtungen hohe strukturelle Belastungen haben, nehmen die Mitarbeiter die Beine in die Hand und rennen. Und niemand kommt nach«, sagt Espenhorst.

Sorgen bereite dem Paritätischen, dass die Bundesregierung weiterhin mit 50 000 fehlenden Stellen in den nächsten sechs Jahren rechne. Die Ergebnisse des Kita-Berichts spiegeln sich bisher nicht im Monitoring-Bericht des Familienministeriums wider. Das müsse sich dringend ändern. »Was wir wollen, ist nichts Absurdes«, schließt Espenhorst. »Alle Kinder sollen ihr Anrecht auf Betreuung wahrnehmen und dabei ausreichend unterstützt werden. Das bedeutet auch, dass manche Kinder mehr Förderung benötigen als andere«.

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