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Investoren bevorzugen Le Pen
Banker und Ökonomen kritisieren das Programm der französischen Rechten – das der Linken finden sie aber noch schlimmer
Im Vorfeld der zweiten Wahlrunde in Frankreich wird vor einem Sieg des rechten Rassemblement National (RN) gewarnt. »Fällt Frankreich?«, titelt der »Spiegel«. Auch Ökonomen zeigen sich beunruhigt, denn das Wirtschaftsprogramm des RN gilt als unsolide. Die Rechten hätten Versprechen gemacht, die für das bereits hoch verschuldete Frankreich teuer würden. Bei aller Kritik sind sich Vertreter von Banken, Börse und Unternehmen allerdings einig: Noch schlimmer als der RN ist ist das linke Wahlbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), das auf Umverteilung von oben nach unten setzt. »Das NFP-Programm kann nur in eine Katastrophe führen«, so Olivier Blanchard, Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, auf der Plattform »X«.
Bereits die amtierende Regierung unter Emmanuel Macron hat sich – im Vergleich zu Deutschland – relativ kräftig verschuldet. Das Budgetdefizit wird dieses Jahr mit fünf Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich über den EU-Vorgaben liegen, die gesamten Staatsschulden sind auf rund 110 Prozent der Wirtschaftsleistung geklettert. Auf Druck der EU sollte das Defizit kommendes Jahr auf etwa vier Prozent sinken.
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Der »Weihnachtsbaum« des RN
Dazu passt allerdings das Programm des RN nicht. Die rechte Partei hat einige neue Sozialausgaben in ihrem Programm, unter anderem für das Gesundheitssystem. Zudem sollen Steuern sinken, zum Beispiel für Energie. Dazu kommen längerfristige Projekte wie die Verstaatlichung der Autobahnen und die Zurücknahme von Macrons Rentenreform, die das Renteneintrittsalter erhöht hatte. Zur Finanzierung will der RN unter anderem den öffentlichen Rundfunk privatisieren, Frankreichs EU-Beiträge sowie die Leistungen an Migranten reduzieren. Statt weniger, würde der Staat damit nächstes Jahr per Saldo 18 Milliarden Euro mehr ausgeben, errechnet Allianz Research, selbst wenn Großprojekte wie Rentenreform und Autobahnverstaatlichung herausgerechnet würden.
Das, so das liberale britische Wirtschaftsmagazin »The Economist«, würde Frankreichs Wirtschaft »schweren Schaden zufügen«, wobei das linke Bündnis NFP allerdings »noch deutlich schädlicher wäre«. Denn zum einen liegen dessen geplante Zusatzausgaben nach Allianz-Berechnungen höher als die der Rechten. Schlimmer ist aus Sicht der Ökonomen aber die Umverteilung, die der NFP im Programm hat.
Neben der Rücknahme der Rentenreform plant das Linksbündnis eine Erhöhung von Renten und Wohngeld, das Einfrieren der Preise für Energie und Nahrungsmittel, eine Stärkung des Öffentlichen Dienstes und eine Erhöhung des Mindestlohns. Zur Finanzierung der Vorhaben sollen die Steuern für höhere Einkommen und Vermögen steigen ebenso wie die Erbschaftsteuer. Geplant ist eine Steuer auf besonders hohe Unternehmensgewinne sowie eine »Exit-Tax« für Kapital, das das Land verlässt. All dies werde »die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Frankreich spürbar beeinträchtigen«, mahnt die Commerzbank.
Auch Ex-IWF-Chefökonom Blanchard zieht das Programm des RN dem der Linken vor. Die Wirtschaftspläne der Rechten glichen zwar »einem Weihnachtsbaum«, es sei »ohne jede Logik oder Kohärenz«, schrieb er auf »X«. Die Pläne der Linken dagegen seien zwar kohärent, sie basierten auf einer »Umverteilung von Reich zu Arm und von den Unternehmen zu den Arbeitern«. Genau das aber sei das Problem: die Linken »zerstören die Anreize zu produzieren«.
Härte gegen Migranten statt Soziales
Für die Rechten spricht laut Investoren auch, dass sie im Falle eines Wahlsieges ihre Pläne kaum umsetzen würden. »Die Partei wird wohl in erster Linie darauf abzielen, die in drei Jahren anstehenden Präsidentschaftswahlen zu gewinnen«, erklärt die Commerzbank. Teure Projekte wie die Rücknahme der Rentenreform stünden für den RN kaum noch im Mittelpunkt. Es sei »davon auszugehen, dass sich eine RN-Regierung in erster Linie auf anderen Politikfeldern wie der Immigration zu profilieren versuchen würde«. Auch bei der Berenberg Bank ist man sich sicher, dass RN-Chefin Marine Le Pen eher den Weg von Italiens Giorgia Meloni gehen und mehr auf »Härte gegen Migranten als auf teure finanzielle Versprechen setzen würde«.
An den Finanzmärkten war man daher im Vorfeld der Wahl optimistisch, dass die Linken nicht ans Ruder kommen: Bei der jüngsten Verkaufsrunde für französische Staatsanleihen am Donnerstag fanden die Papiere bei den Investoren reißenden Absatz. »Die beiden großen Risiken – eine absolute Mehrheit der Rechten oder der Linken – sind offenbar vom Tisch«, erklärte Evelyne Gomez Liechti vom Investmenthaus Mizuho International.
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