Sex and the Texas

In Texas ist Kreativität gefragt, will man als gläubiger Christ sexuelle Erfüllung erlangen

Ein texanischer Trick: die Hosen bleiben an, wenn's heiß wird.
Ein texanischer Trick: die Hosen bleiben an, wenn's heiß wird.

Howdy aus Texas, liebe Lesende,

scheuen Sie, wie viele Zeitungsleser, das berühmt-berüchtigte Sommerloch? Ich hoffe nicht, denn die heutige Kolumne soll genau dieser schlüpfrigen Kategorie entsprechen – trivial, platt und voyeuristisch soll es hier zugehen. Carrie Bradshaw aus »Sex and the City« schrieb einmal in ihrer Sexkolumne über Pommes, als sie nichts Spannendes aus ihrem Liebesleben zu berichten hatte; bei mir ist es andersherum. Ich schreibe ständig über Essen und wenn ich dazu einmal nichts zu sagen habe, ist eben der Sex dran. Das texanische Kolumnistinnenleben ist leider nicht immer voll von spannenden oder intellektuellen Themen. Ist die Wahldebatte etwa spannend oder intellektuell? Ich glaube kaum. Dann lieber doch etwas zum Texas-Sex. Und dazu gibt es einiges zu sagen.

Talke talks

News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.

Es geht ungeschützt los, mit einer der höchsten Teenager-Geburtenraten in den USA. Und jetzt, nachdem Abtreibungen verboten worden sind, wird diese Rate wohl noch steigen. Und es geht auch gleich ungeschützt weiter mit der höchsten Rate an Geschlechtskrankheiten im Land. Sie scheinen sich oft durch Fremdgeher zu verbreiten: Nicht umsonst gibt es in unserer Region Facebook-Gruppen, die »Are we dating the same guy?« heißen und in denen bi- und trigame Typen per Fotoposting entlarvt werden. Ich frage mich immer, welcher Ami-Mann so viel Energie hat, mehreren Frauen auf einmal etwas vorzuspielen, wo das US-Dating doch so zeit- und geldintensiv ist. Aber dann fällt mir wieder ein: Was der Ex-Präsident kann, kann jeder beliebige John auch. Vielleicht sogar ein Joe. Und ein Hunter sowieso.

Die unter strengen Christen so beliebte Abstinenz könnte helfen, beide Raten in Texas zu senken. Legenden besagen, dass junge Mormonen sogenanntes Soaking praktizieren, um sich bis zur Ehe »rein« zu halten. Dabei wird zwar alles eingeführt, was gemeinhin beim Verkehr eingeführt wird, aber ohne weitere Bewegungen auszuführen. Und nein, hierbei handelt es sich nicht um ein tantrisches Ritual. Ein sich unter dem Bett befindlicher dritter Mormone ist für die koitalen Schwingungen via Matratzenschütteln an der Chose beteiligt, um die Sünde vom Paar abzuwenden: quasi eine keusche Ménage-à-trois. Aber »rein« ist diese Rein-Raus-Methode auch nicht, denn hierbei kann man ungeschützt (und von diesem Status können wir bei der Debilität aller Beteiligten getrost ausgehen) sowohl schwanger werden als auch Chlamydien kriegen. Die frommere Variante des Soaking nennt sich übrigens »Levi Lovin«, weil man dabei anstandshalber seine Levi’s anbehält. Wie poetisch!

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Am sichersten ist Enthaltsamkeit jedoch, wenn man sie allein praktiziert. Aber auch da gibt es Hürden. Ein Kumpel beschwerte sich letztens darüber, dass einige ihm werte Pornokanäle gesperrt seien und er nun eine VPN-Verbindung brauche, um sie zu streamen. Als lebte er in Russland oder China! Texas erklärte nämlich gerade den großen Pornokanälen den Krieg, um Minderjährige vor dem Konsum zu schützen. Man könnte auch erstmal damit anfangen, Kinder in der Schule richtig aufzuklären, aber dagegen hätten die hyperkonservativen Eltern sicher etwas einzuwenden, heißt es an texanischen Schulen doch: »Abstinence first!« Aber auch diese Eltern könnten selbst Sünder sein: Auf Tiktok heißt es nämlich, einige verheiratete Hardcore-Christen seien »Soft Swinger« (also nicht ganz ausswingen, sondern nur ein bisschen, vielleicht mit Jeans).

Und wie ist die Situation in den liberalen Bundesstaaten, in denen Aufklärung und Verhütung viel weniger tabuisiert werden? Wesentlich besser, aber auch nicht ohne amerikanische Absurditäten: So forderten Studierende der University of Chicago für eine Pro-Palästina-Demo diesen Frühling auf Social Media eine kostenfreie Versorgung mit der »Pille danach«, HIV-Schnelltests und gar Lecktüchern! Das klingt weniger nach politischem Engagement als nach Carrie Bradshaws Freundin Samantha Jones: »Ich bin prosexuell, ich probiere alles einmal aus.«

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