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  • Ausstellung »Zwischen den Bildern« in Erfurt

Am Ende der Malerei

Das Angermuseum Erfurt widmet dem multimedial arbeitenden Künstler Klaus Armbruster eine umfassende Werkschau

Fotografien in einer Malerei, die sich Betrachtenden wie ein Film darbietet: ein Teil der Bildmontage »Schreibtischleben«, Acryl auf Leinwand, 2019
Fotografien in einer Malerei, die sich Betrachtenden wie ein Film darbietet: ein Teil der Bildmontage »Schreibtischleben«, Acryl auf Leinwand, 2019

»Zwischen den Bildern« – was ist damit gemeint? Zum einen könnte mit diesem Ausstellungstitel auf das verwiesen sein, was hinzukommt oder verloren geht, wenn man eine Fotografie in eine Malerei oder ein Theaterstück in einen Film verwandelt. Die Worte lassen sich aber auch auf die künstlerische Biografie Klaus Armbrusters beziehen. Diese teilt sich grob in drei Schaffensphasen: Zuerst kam die Malerei, dann kamen Film- und Fernsehprojekte, zuletzt kehrte der heute 81-Jährige wieder zur Malerei zurück.

Betritt man seine Werkschau im zweiten Obergeschoss des Erfurter Angermuseums, ist man zunächst mit einer Vielzahl von frühen Arbeiten konfrontiert. Es sind großformatige Gemälde; die Leinwand ist bis zum Rand mit Rohren, Schienen und Treppen gefüllt, die wild miteinander verkoppelt sind und ineinander übergehen. Auf die Betrachterin wirken diese oft in schmutzigen Grün- und fleischigen Tönen gehaltenen Gebilde so, als könnte sie hineinfallen in diese räumliche Tiefe oder als wölbten sie sich über ihr bedrohlich auf. Perfekt ausgearbeitet sind sie dabei nicht; an vielen Stellen verwischen grobe Pinselstriche mit mehreren Farbspuren die Konstruktionen, legen sich expressiv über das Figürliche, erzeugen den Eindruck von Spontaneität. Wenn man genau hinsieht, erkennt man hier auch menschliche Formen. Es sind, wie Armbruster schreibt, »unkontrollierte, assoziative innere Bilder«, die hier den Weg auf die Leinwand fanden und »sich mit der Zeit immer konkreter auf die Themen des Holocaust und Vietnamkriegs bezogen«.

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Besonders an dieser Ausstellung ist sicherlich, dass der Künstler fast alle Begleittexte selbst verfasst hat. So ist seine künstlerische Entwicklung auch direkt als innerlicher Prozess nachvollziehbar. An einer Stellwand hängen vier Gemälde, die das Ende der ersten Schaffensphase markieren. Es sind grellfarbige psychedelische Bildwelten mit scharfen Konturen, einige Motive wiederholen sich durch Spiegelung in der Bildmitte. Buntheit und Symmetrie bedeuten hier allerdings nicht Harmonie und Freude. Kopflose Frauenkörper gebären, ihre Formen – Muskeln, Knochen, Fett – bis zur Hässlichkeit überspitzt. Auf einem anderen Bild sind fahlgraue Körper auf bunten Kreisen – sind es Drehscheiben? – zu sehen, sie wirken leblos. Es heißt »Vierte Welt (Am Ende der Malerei)«, gemalt 1969/70. Wusste Armbruster also schon damals, dass diese seine vorerst letzten Bilder sein würden? Er schreibt: »Mit dem Umzug nach Hamburg drangen die politischen Herausforderungen der 68er-Bewegung unausweichlich in die Thematik meiner künstlerischen Arbeit ein. Zunächst versuchte ich noch, mit surrealistisch verschlüsselten Arbeiten darauf zu antworten, jedoch erstarrte meine Malerei zusehends unter der Brutalität ihrer Themen. Nach meiner Beteiligung an der großen Ausstellung ENGAGIERTE KUNST im Kunsthaus Hamburg gab ich die Malerei auf und wandte mich dem Medium Film zu … «

Klaus Armbruster, 1942 in Tübingen geboren, studierte bis 1967 Malerei in Stuttgart. Von 1972 bis 1980 arbeitete er als Autor, Regisseur und Redakteur für den NDR. Ab 1980 entwickelte er, wie im Begleitheft zu lesen ist, ein multimediales Werk mit den Schwerpunkten Film und Video grenzüberschreitend zur Bühnenkunst. 1983 wurde er Professor für Film und audiovisuelle Medien in Essen. Sein filmisches Werk ist vielfältig – die Ausstellung zeigt davon nur einen halbstündigen, vom Künstler selbst erstellten Zusammenschnitt. Es sind Fragmente aus fünf sehr unterschiedlichen Arbeiten, darunter ein Porträt von Armbrusters Mutter, die Videofassung von »Die Ilias des Homer«, 1989/90 von Hansgünther Heyme im Schauspielhaus Essen inszeniert, und »Pöhlers Passagen« (2002), ein Film, der den Aufenthalt des Wanderfotografen Friedrich Pöhler in einem pietistischen Dorf Anfang des 20. Jahrhunderts mit dokumentarischen und fiktionalen Mitteln in Szene setzt.

Über seine dritte Schaffensphase, deren Erzeugnisse sich im hinteren Teil des Ausstellungssaals befinden, schreibt Armbruster: »Nach meiner Emeritierung (…) kehrte ich zur Malerei zurück. Dabei versuchte ich, Erfahrungen aus meiner Arbeit mit der Montage bewegter Bilder in den zeitbasierten Künsten Film und Musik zu nutzen, die ich im Rahmen meiner Medien- und Bühnenprojekte gemacht hatte. Ich wollte die wichtigsten Arbeiten dieses Lebensabschnittes noch einmal als Maler reflektieren und sie zugleich aus ihrer immateriellen und flüchtigen Existenz in eine zeitlich unbegrenzte Permanenz real existierender Gemälde überführen.« Dass ein Bruch stattgefunden hat, sieht man sofort: Das Expressive ist verschwunden, diese Bilder sind konzeptueller und im Stil realistischer als die frühen Malereien. Eine Bildmontage etwa besteht aus verschiedenen gemalten Motiven aus »Pöhlers Passagen«. Die Farbgebung spielt mit den Zeitschichten des Films: Alte Schwarz-Weiß-Fotografien, die darin auftauchen, werden durch Farben gegenwärtiger, stehen gleichberechtigt neben (ab-)gemalten Standbildern aus der fiktionalen Inszenierung. Eindrücklich in Bezug auf das Zusammenspiel verschiedener Medien sind auch die Bildmontagen »Schreibtischleben« (2018/2019). Das Format der Leinwände, breit und niedrig, gleicht dem einer Filmrolle. Darauf zu sehen ist der Schreibtisch Armbrusters mit verschiedenen Gegenständen: Fotografien, eine kleine Büste, vertrocknete Rosen, Bücher und Zeitschriften. Der Blick schweift über diese Dinge wie eine Kamera, führt sie nach und nach ins Bewusstsein.

Ist dieses Verschalten verschiedener Medien bloße ästhetische Spielerei? Vor allem werden dadurch zunächst Denkräume geöffnet: Welche Eigenschaften haben die einzelnen Medien? Welchen Zugang zur Wirklichkeit können sie uns schaffen? Und welche Kluft tut sich zwischen ihnen auf? Wo zeigen sich momenthafte, wo dauerhafte Qualitäten? Von hier aus lassen sich Gedanken spinnen auch zu Fragestellungen abseits der Kunst. Dabei ist eines wohl unbestreitbar: Die Malerei, schon oft für tot erklärt, zeigt sich hier, in Klaus Armbrusters Werk, einmal mehr als Medium, dessen Verlust für die Kunst nur schwer zu verkraften wäre.

»Klaus Armbruster: Zwischen den Bildern«, bis zum 27. Oktober, Angermuseum Erfurt. Viele Video- und Filmarbeiten Armbrusters sind kostenlos im Internet abrufbar: www.armbruster-klaus.de

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