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Berlin: Mieten erhöhen, um Mieten zu senken
Landeseigene wollen Mieterhöhungen und Deregulierung beim Neubau
8.30 Uhr an der Köpenicker Straße in Mitte: Für die meisten anwesenden Journalisten ist es der erste Termin des Tages, doch die Arbeiter auf der Baustelle sind offenbar schon länger auf den Beinen: Ein Bagger hebt eine Grube für das Fundament aus, während in orange Warnwesten gekleidete Arbeiter Stromleitungen in einem Graben verlegen.
Hier entsteht ein Neubauprojekt der landeseigenen WBM. Gegenüber vom Vattenfall-Heizkraftwerk sollen 102 Wohnungen entstehen. Vor einem schon bestehenden DDR-Hochhausriegel sollen sechs neue Häuser aus der Erde wachsen. Die Bewohner des anliegenden Hochhauses müssen nicht um ihre Aussicht fürchten: Die sechs neuen Häuser sollen dreigeschossig bleiben. Dafür soll am Ende des langgezogenen Häuserriegels ein Zwölfgeschosser gebaut werden.
»Ich bin froh, dass wir die Landeseigenen haben«, sagt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der die Baustelle im Rahmen einer Tour durch städtische Neubauprojekte am Mittwoch besucht. »Man sieht: Hier passiert etwas, hier entsteht etwas.« Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien notwendig, um sozialverträgliche Mieten in der Stadt zu garantieren. 40 Prozent der neu entstehenden Wohnungen an der Köpenicker Straße sollen unter die Sozialwohnungsgrenze fallen – mithin 6,80 Euro soll die Kaltmiete pro Quadratmeter kosten. Auch die restlichen Wohnungen sollen unter dem Preisniveau in der Gegend vermietet werden.
Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bauen allerdings nicht nur Sozialwohnungen, wie auf der nächsten Station der Baustellentour deutlich wird: An der Ringslebenstraße in Rudow sollen 220 Wohnungen in drei Neubauten entstehen. Sie sind für zwei Gruppen reserviert: Landesbeschäftigte und Senioren. Nach dem Willen der Bauherrin Berlinovo sollen vor allem Beschäftigte der Vivantes-Krankenhäuser hier unterkommen.
Dafür müssen die hiesigen Mieter deutlich mehr zahlen: 13,50 Euro plant die Berlinovo pro Quadratmeter zu verlangen, allerdings für möblierte Wohnungen. Eine schon eingerichtete Ein-Zimmer-Wohnung kann inmitten der Baustelle besichtigt werden. Für die eher beengt geschnittene Wohnung werden bald knapp 890 Euro fällig werden. Da liegt das Teilen nahe. »Wir können ja eine WG machen«, sagt Wegner zu den ebenfalls mitgereisten Senatoren Christian Gaebler (SPD) und Ute Bonde (CDU), während sie auf einer Couch für ein Foto posieren.
Statt den angestrebten 6500 Wohnungen entstanden 2023 nur 4348 Wohnungen in Landeshand.
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Im berlinweiten Schnitt verlangen die Landeseigenen 6,46 Euro pro Quadratmeter für Bestandsmieter, bei Neuvermietungen sind es 7,65 Euro, wie Gesobau-Vorstand Jörg Franzen darstellt. Damit liegen sie weit unter den Preisen auf dem privaten Wohnungsmarkt, wo der Quadratmeter bei Neuvermietungen im Schnitt knapp 14 Euro kostet.
Fraglich ist aber, ob das so bleiben wird. »Die Landeseigenen bleiben nur stark, wenn sie wirtschaftlich sind«, sagt Wegner. »Auch städtische Gesellschaften können keine roten Zahlen schreiben.« Bereits im vergangenen Jahr hatte der Senat den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ermöglicht, die Mieten um drei Prozent anzuheben. Ob es dabei bleibt? Die Frage, ob es noch zu weiteren Mieterhöhungen kommen könnte, verneint Bausenator Christian Gaebler nicht. Künftig könne es aber zu differenzierten Lösungen kommen. »Wir müssen uns überlegen, ob wir einen Mieter, der vier Euro pro Quadratmeter zahlt, genauso behandeln sollten wie einen Mieter, der acht Euro zahlt«, sagt er während der Busfahrt zur nächsten Baustelle.
Mit den neuen Einnahmen sollen die Landeseigenen in die Lage versetzt werden, mehr Wohnungen zu bauen. Das soll wiederum den Mietspiegel insgesamt drücken. Mieten erhöhen, um die Mieten zu senken, ist also die paradox anmutende Devise. Bislang bleiben die städtischen Wohngesellschaften hinter den selbstgesteckten Neubauzielen zurück. Laut schwarz-rotem Koalitonsvertrag sollen eigentlich pro Jahr 6500 neue Wohnungen in Landeshand entstehen. 2023 waren es aber nur 4348, wie ein Senatsbericht zuletzt gezeigt hatte. Das ist ein Rückgang von knapp 1500 fertiggestellten Wohnungen gegenüber 2022. 2024 sollen planmäßig knapp 5100 Projekte fertiggestellt werden.
Glaubt man Vertretern der Landeseigenen selbst, sind dafür vor allem bürokratische Hürden verantwortlich. Den Bebauungen gehe ein nicht selten jahrzehntelanger Planungs- und Antragsprozess voraus. Deutlich wird das auch an der letzten Station der Neubautour: 14 Jahre vergingen zwischen dem ersten Ideenwettbewerb und dem ersten Spatenstich an der Neubauanlage an der Beate-Hahn-Straße in Pankow, wo 424 neue Wohnungen entstehen sollen. Wofür so viel Zeit gebraucht wurde, ist beim Anblick der fast fertiggestellten Siedlung unklar: In Serienbauweise errichtete schlichte Dreigeschosser reihen sich aneinander, die in Weiß gehaltenen Fassaden lassen das Neubaugebiet seltsam steril wirken.
Das zuletzt beschlossene Schneller-Bauen-Gesetz, mit dem der Senat bürokratische Hürden für den Neubau senken will, sei ein »Quantensprung«, sagt Gesobau-Chef Jörg Franzen. Der Regierende Bürgermeister will bei der Deregulierung noch weiter gehen. »Zu hohe Standards beim Neubau sind ein Kostentreiber, den am Ende die Mieter zahlen müssen«, sagt er. Luft zum Senken sieht er etwa beim Denkmal- und Tierschutz, vor allem aber bei den energetischen Vorgaben. »Nicht jeder Zentimeter Dämmung hilft am Ende beim Klimaschutz«, sagt er. Dabei sind Gebäudeemissionen der größte CO2-Emittent in der Hauptstadt. Angst, dass der Senat auf diesem Weg seine selbstgesteckten Klimaziele verfehlen könnte, hat Wegner trotzdem nicht. »Das Problem ist nicht der Neubau, sondern der Bestand«, sagt er.
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