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Einig Vaterland
Als die DDR-Hymne sich erfüllte, war sie nur noch Geschichte
Man mag es als ironische Fußnote zur Geschichte des an Zynismus reichen 20. Jahrhunderts betrachten, dass die Hymne der DDR zuerst in Polen zu Gehör gebracht wurde. In jenem Land, das ein paar Jahre zuvor von den Deutschen überfallen und verwüstet wurde. Es war Ende Oktober 1949, die Gründung der DDR lag drei Wochen zurück, als sich der Komponist Hanns Eisler in Zelazowa Wola an einen Flügel setzte, um dem Dichter Johannes R. Becher die Melodie vorzuspielen. Auf einem Instrument von Frederic Chopin; die beiden Besucher besichtigten das Geburtshaus des Polen zu dessen 200. Geburtstag.
Becher hatte von Eisler die Vertonung seiner Verse erbeten, im Auftrag des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck. Die Sache war eilig, denn die Republik sollte nicht lange ohne Hymne bleiben. Bechers Text war ein Ruf nach Frieden, geboren aus der Erfahrung des Weltkriegs, und nach der Vereinigung des von den Alliierten geteilten Landes.
Es ging dann schnell: Die Hymne »Auferstanden aus Ruinen« wurde von den SED-Gremien bestätigt – eine Komposition von Ottmar Gerster fiel durch – und am 7. November 1949 in Berlin öffentlich uraufgeführt. Die beiden Schöpfer standen für zwei Wege des Kampfes gegen den Faschismus: das KPD-Mitglied Becher war in die Sowjetunion emigriert, der parteilose Kommunist und Brecht-Freund Eisler überwinterte vor allem im US-Exil.
Beide waren gefangen in den Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts, konfrontiert auch mit den Widersprüchen in der DDR. Becher, im Moskauer Exil in Gefahr, wie viele seiner Genossen Opfer des Stalin-Terrors zu werden, lavierte auch in der DDR zwischen Moral und Macht, künstlerischem Anspruch und politischem Korsett als Kulturminister und wurde nach den Unruhen in Ungarn 1956 kaltgestellt. Eisler war in den USA als Musiker erfolgreich, wurde zweimal für den Oscar nominiert, aber als Linker beargwöhnt und bespitzelt sowie schließlich von der antikommunistischen McCarthy-Justiz ausgewiesen. In der DDR gefeiert, musste er sich gleichzeitig den Vorwurf des Formalismus gefallen lassen.
Seine Musik für die Hymne überlebte den Text. Bechers Verse verschwanden Anfang der 70er aus der Öffentlichkeit. »Deutschland, einig Vaterland« wollte die SED nicht mehr besingen lassen. So hatte die DDR fast 20 Jahre lang eine Hymne ohne Text. Eislers Musik blieb ebenfalls nicht unangefochten. Der Komponist Peter Kreuder strengte erfolglos mehrere Plagiatsklagen gegen Eisler an. Dieser habe angeblich die ersten Takte aus Kreuders Hans-Albers-Schnulze »Goodbye Johnny« kopiert.
1989/90 zeigte sich, dass das Gedächtnis der Ostdeutschen funktionierte. Obwohl längst nicht mehr intoniert, wurde die unliebsame Zeile »Deutschland, einig Vaterland« eine der großen Losungen des Umbruchs. Wenngleich Becher und Eisler sich das ganz anders vorgestellt hatten. In dem Moment, da sich Bechers Wunsch erfüllte, verschwand die Hymne endgültig im Orkus der Geschichte.
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