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Zitterpartie fürs BSW
Nach den bisherigen Hochrechnungen könnte die Wagenknecht-Partei den Einzug in den Bundestag knapp verfehlen
Haben sie es nun geschafft oder nicht? Ob das Bündnis Sahra Wagenknecht erstmals mit einer Fraktion in den Bundestag einziehen kann, war am Sonntagabend noch nicht klar. In den Hochrechnungen schwankte das Ergebnis der vor gut einem Jahr von ehemaligen Mitgliedern der Linken gegründeten Partei zwischen 4,7 und fünf Prozent und lag zuletzt nach 21 Uhr bei 4,9 Prozent. Es war also noch nicht klar, ob sie die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen hat, anders als bei der FDP, die zuletzt bei 4,4 Prozent lag.
Die ersten Äußerungen von BSW-Gründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht fielen entsprechend zurückhaltend aus. Sie hatte ihre politische Zukunft an den Einzug in den Bundestag geknüpft. Sie dankte den Unterstützer*innen des BSW auf der Wahlparty im Berliner Kino Kosmos herzlich für einen »tollen Wahlkampf«. Bei »Eiseskälte« hätten sie Infostände betreut und Plakate geklebt.
Zur Berliner Runde in der ARD nach den 20-Uhr-Nachrichten mit den Spitzenkandidat*innen aller Parteien mit Chance auf Einzug in den Bundestag erschien Wagenknecht indes nicht. An ihrer Stelle war die Ko-Vorsitzende der Partei, Amira Mohamed Ali, dabei. Auf die Frage nach der Zukunft Wagenknechts ging sie nicht ein, betonte aber, ein Nichteinzug in den Bundestag sei nicht das Ende der Partei, die im Europaparlament, in drei Landtagen und in zwei Landesregierungen sitze. Man werde »auf jeden Fall weitermachen«.
Zuvor hatte Mohamed Ali bereits im ZDF gesagt, sie gehe »stark davon aus, dass Sahra uns natürlich nicht einfach von der Fahne geht«. Das BSW werde gebraucht, »und wir wollen weiterhin wirken«. Das BSW sei eine wichtige politische Kraft für Frieden und soziale Gerechtigkeit und werde »in jedem Fall« weitermachen.
Nach einem Höhenflug nach der Parteigründung waren die Zustimmungswerte für das BSW in den letzten Wochen deutlich gesunken und schwankten zuletzt zwischen vier und sechs Prozent, Tendenz fallend. Bei der Europawahl im Juni 2024, der ersten Bewährungsprobe nach der Gründung, hatte das BSW aus dem Stand 6,2 Prozent der Stimmen erhalten. Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland fuhr die Partei beeindruckende Ergebnisse ein: In Thüringen wurde sie am 1. September mit 15,8 Prozent drittstärkste Kraft nach CDU und AfD. In Sachsen erhielt sie am selben Tag 11,8 Prozent der Wählerstimmen und in Brandenburg am 22. September 13,5 Prozent.
In Thüringen und Brandenburg ist das BSW inzwischen Teil von Landesregierungen mit CDU und SPD einerseits und mit der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke in Potsdam andererseits. Gerade die Kompromisse in Sachen Friedenspolitik, die das BSW in Brandenburg machte – unter harscher Disziplinierung von internen Kritikern – könnten indes den Abstieg in den Umfragen eingeläutet haben.
Interessant am BSW-Ergebnis: Gerade von Menschen, denen es wirtschaftlich nicht gut geht, wurde die neue Partei kaum gewählt. 37 Prozent der Wählenden mit »schlechter wirtschaftlicher Situation« entschieden sich laut ARD-Statistik für die extrem rechte AfD. Auf den folgenden Plätzen lagen Union, SPD und Linke, erst danach folgen BSW und Grüne mit je sieben Prozent. In den Umfragen des Instituts Infratest Dimap beurteilten 74 Prozent der BSW-Wählenden ihre persönliche wirtschaftliche Situation als gut.
BSW-Gründerin Wagenknecht hatte ihre Partei neben der Rolle als vermeintlich einzige Friedenspartei stets auch als Anwältin derer beschrieben, die »nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen«.
Auffällig ist, dass das BSW in Sachsen, wo es bei der Landtagswahl drittstärkste Partei geworden war, nun offenbar nur noch unter den »Sonstigen« auftaucht. Im Freistaat kam die AfD bei der Bundestagswahl nach einer Hochrechnung auf mehr als 42 Prozent der Stimmen und damit auf mehr als doppelt so viele wie die CDU (20,8 Prozent). Auf Platz drei folgt in Sachsen Die Linke mit bescheidenen 7,2 Prozent, die SPD mit 7 und FDP und Grüne mit je 3 Prozent.
In den letzten Wochen, in denen Die Linke plötzlich in dem Maße an Zustimmung gewann, in dem das BSW verlor, hatten sich etliche prominente Mitglieder des Bündnisses in den sozialen Medien auffällig intensiv an ihrer Herkunftsorganisation abgearbeitet. So verbreiteten die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen und der Europaabgeordnete Fabio De Masi die Behauptung, die Linke spreche sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aus und sei keine Friedenspartei mehr. Zuletzt suggerierte Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine gar, Die Linke werde von Milliardären wie Bill Gates und George Soros unterstützt.
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