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Rosa von Praunheim: Grüße aus der Wurstabteilung
Rosa von Praunheim lädt am Deutschen Theater Berlin auf »Die Insel der Perversen«
Alice Weidel macht den Anfang. Im AfD-blauen Dress krakeelt sie auf der Bühne umher. Dann kommt Sahra Wagenknecht dazu, ihr Zwilling in Rot, und tut es ihr gleich. Die beiden Frauen sagen hier ohnehin dasselbe, manchmal auch synchron. Meistens geht es nur darum, der anderen zuvorzukommen. Die AfD und das BSW sowie ihre beiden weiblichen Führungspersönlichkeiten, so lernen wir an diesem Abend im Deutschen Theater Berlin, wollen und sind im Grunde dasselbe.
»Die Insel der Perversen« heißt das Stück von der Schwulenikone Rosa von Praunheim, von der auf dieser Bühne bereits zuvor zwei Theaterabende uraufgeführt worden sind. Der Regisseur, der sich dessen wenig schwungvoll angenommen hat, hört auf den Namen Heiner Bomhard.
Vergleichen kann man bekanntlich vieles, wenn nicht sogar alles. Man darf Dinge ebenfalls gleichsetzen. Aber wenn der Erkenntnisgewinn dann gegen null geht, sollte man nicht so tun, als könnte man nichts dafür. Alice Weidel und ihre Partei sind indiskutabel. An Sahra Wagenknecht und dem BSW kann und muss man so einiges kritisieren. Dass man aber von Wagenknecht die Errichtung von Lagern und die Auslösung eines Weltkriegs zu befürchten hat, ist durchaus nicht naheliegend.
Wer nach der Eingangsszene den Saal noch nicht verlassen hat, darf lernen, dass nicht nur Wagenknecht und Weidel eins sind, sondern auch Putin und Trump sowie – wer hätte das gedacht? – Hitler und Stalin. Und da die Welt so schön geordnet eingerichtet ist, fällt es nicht schwer herauszufinden, wer die Bösen – na klar, die anderen – und wer die Guten sind – die Herren Künstler und wir, ihr aufgeklärtes Publikum.
Die Grundzüge einer Handlung, die dieses »deutsche Singspiel« präsentiert, lassen sich schnell skizzieren: In wohl nicht allzu ferner Zukunft erreichen AfD und BSW die Mehrheit im Land, und der Pakt mit Putin lässt nicht lange auf sich warten. Deutschland wird von Russen bevölkert, die man hier rassistisch stereotyp auf die Bühne bringt; alle anderen Ausländer müssen gehen. Politische Gegner werden getötet oder interniert. Schließlich müssen sich alle Männer einer Zwangskastration unterziehen. Auf die titelgebende »Insel der Perversen«, wo es dann erstaunlich verklemmt zugeht, haben sich ein paar schwule Jungs zum Schutz zurückgezogen.
Nach einem Nahkampf mit Köstlichkeiten aus der Wurstabteilung (einige Menschen können sich ihren pubertären Humor auch bis ins hohe Alter erhalten), einem Musical, performt von Wladimir Putin, dem Auftritt eines schwarzen AfD-lers und weiterem Brimborium ohne Glanz, nimmt alles – man weiß nicht, wie – sein befriedigendes Ende. Wagenknecht und Weidel sind mittlerweile hochbetagt im Altersheim für Kriegsverbrecherinnen untergebracht. Der Autor des Abends spricht kalauernd von »porösen Mösen« und stellt damit wenig elegant unter Beweis, welche Frauenfeindlichkeit mitunter von schwulen Herren im fortgeschrittenen Alter ausgehen kann. Dann wird den beiden von Thomas Gottschalk die Todesspritze verabreicht. Ende gut, alles gut in der zweidimensionalen Parallelwelt.
Es sei nicht verschwiegen: Das Publikum hat sich durchaus heiter und vergnügt gezeigt. Dabei waren es fast endlose 90 Minuten, in denen kaum etwas passierte, vor allem nichts, was einer szenischen Idee oder dem Ansatz einer politischen Analyse gleichkäme. Schwer zu sagen, worin das größere Ärgernis bestand: dass man es mit Politkabarett zu tun hatte ohne auch nur einen zündenden Witz oder dass jede Tuntenrevue in einer mittelgroßen deutschen Stadt weitaus mehr Esprit versprüht?
Das Deutsche Theater hat mal wieder ein wenig Pseudoprovokation gewagt mit nur einem Ziel: Anbiederung an das Publikum. Noch seichter kann es kaum werden.
Nächste Vorstellungen: 20. und 27.12., 1.1.
www.deutschestheater.de
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