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Berlin: Rechte Straftaten auf Rekordhoch
Kriminalitätsstatistik von 2024 zeigt einen Anstieg rechter Vorfälle. Grüne fordern Sicherheitsgipfel
Sind die Baseballschläger-Jahre zurück? Jüngst machten Meldungen von brutalen rechten Übergriffen von sich reden: In Springerstiefeln traten Rechtsextreme auf SPD-Mitglieder am Bahnhof Lichterfelde ein und am Ostkreuz wurden Antifaschist*innen von Neonazis mit Knüppeln geschlagen. Dazu kommen Meldungen vom Wochenende: Rechtsextreme sollen zwei Menschen geschlagen sowie »Heil Hitler« gerufen haben. Zwei Tatverdächtige sollen jugendlich sein.
Für Berlin liegen nun Zahlen für das Jahr 2024 vor, die der »Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität« (KPMD-PMK) erhebt. Hier zeigt sich wie bei den jüngst veröffentlichen Zahlen auf Bundesebene ein neuer Höchststand »politisch motivierter Kriminalität« (PMK) von rechts. Der Grünen-Abgeordnete Ario Mirzaie hat die Zahlen bei der Senatsverwaltung für Inneres schriftlich erfragt.
»Rechtsextreme treten immer gewaltbereiter auf«, sagt Mirzaie »nd« und nimmt Bezug auf öffentliche Kampfsporttrainings sowie die Angriffe in Lichterfelde und am Ostkreuz. 2024 lag die Zahl der Fälle im Bereich »PMK rechts« bei 2520, ein Anstieg um rund 200 Fälle im Vergleich zum Jahr zuvor (2315). 2020 war die Zahl ähnlich hoch (2515).
Bei der Statistik des KPMD-PMK handelt es sich um eine Eingangsstatistik, erklärt die Senatsverwaltung in der Antwort auf die Anfrage Mirzaies. »Das bedeutet, der Fall wird sofort gezählt, wenn er bekannt wurde, und nicht erst nach Abschluss der Ermittlungen«, so die Verwaltung. Um die Zahlen richtig einzuordnen, ist es wichtig zu wissen, dass der KPMD-PMK sowohl Tötungsdelikte, Sexualdelikte und Körperverletzungen, als auch Landfriedensbrüche und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte als Gewaltdelikte zählt.
Vergleicht man die Zahlen der KPMD-PMK, so nimmt das Ausmaß rechter Gewaltdelikte ab. Lag die Zahl 2020 noch bei 175, liegt sie 2024 bei 79. Gestiegen ist vor allem die Zahl der Propagandadelikte: 2020 lag die Zahl bei 1057, vergangenes Jahr waren es 1489 – ein Anstieg um rund 300 Fälle im Vergleich zum Vorjahr.
Neben dem Bereich »rechts« werden noch die Phänomene »links«, »ausländische Ideologie« und »religiöse Ideologie« statistisch erfasst. Auffallend ist, dass insbesondere die Zahl der Fälle »PMK ausländische Ideologie« gestiegen ist. Waren es 2020 demnach 222, so lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 2425. Hier sind zum einen mehr Gewaltdelikte gezählt worden: 2020 waren es 30, 2024 waren es 551. Auch die Zahl der Sachbeschädigungen nahm rasant zu: 2020 wurden 53 gezählt, 2024 waren es 748.
»Rechtsextreme treten immer gewaltbereiter auf.«
Ario Mirzaie (Grüne)
Sprecher für Strategien gegen rechts
»Gewalt ist die politische DNA der extremen Rechten«, sagt der Abgeordnete Mirzaie, der meint, dass Faschist*innen »selbstbewusster« werden. Er fordert schnellstens ein »Demokratiefördergesetz, um die wichtige Arbeit der Zivilgesellschaft auf ein sicheres Fundament zu stellen«. Außerdem bezeichnet er die Kürzungen des schwarz-roten Senats im Bereich Gewaltprävention als »fatal«. Sie würden beispielsweise die Landeskommission gegen Gewalt, die Landeszentrale für politische Bildung und die Landesantidiskriminierungsstelle treffen.
Kritik an der Kürzungspolitik gibt es auch von der Fachstelle Rechtsextremismusprävention des Vereins Cultures Interactive, der Gewaltprävention für Jugendliche anbietet. »Dort, wo der Staat sich bereits aus der Jugendarbeit herausgezogen hat, wo es keine oder nur wenig attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche gibt, füllen Rechtsextreme diese Lücke«, teilte der Verein am 31. Januar mit.
Die Grünen fordern einen Sicherheitsgipfel gegen Rechtsextremismus. Davon erhofft sich der Abgeordnete Mirzaie, »dass der Senat endlich den Druck auf die rechte Szene erhöht und eine Strategie aufzeigt im Kampf gegen rechts, da ist nämlich bisher gähnende Leere«. Auf Nachfrage von »nd« an die Senatsverwaltung für Inneres, was diese zu den Forderungen sagt, verweist eine Sprecherin der Verwaltung auf die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz. »Zur Sensibilisierung gegenüber dem Rechtsextremismus bietet zum Beispiel der Berliner Verfassungsschutz themenspezifische, auch für Schulklassen ab Klassenstufe 10 oder Multiplikatoren geeignete Vorträge über Rechtsextremismus sowie Publikationen wie die jährlichen Verfassungsschutzberichte an«, sagt sie. Die Polizei ergreift laut Verwaltung bereits jetzt »alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen« zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität.
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