Schwangerschaftsabbruch bleibt Straftat

CDU, CSU und FDP blockieren Abstimmung des Bundestages zu Legalisierung von Abtreibungen

Am Montag demonstrierten noch einmal Aktive des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, von Sozialverbänden und anderen Initiativen vor dem Paul-Löbe-Haus des Bundestages für die Legalisierung von Abtreibungen.
Am Montag demonstrierten noch einmal Aktive des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, von Sozialverbänden und anderen Initiativen vor dem Paul-Löbe-Haus des Bundestages für die Legalisierung von Abtreibungen.

Seit 50 Jahren kämpfen Feministinnen in der Bundesrepublik für eine Streichung des Abtreibungsparagrafen aus dem Strafgesetzbuch. Sie werden es weiter tun müssen: CDU, CSU und FDP versagten am Montagabend nach einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages ihre Unterstützung dafür, dass über einen parteiübergreifenden Antrag für eine Entkriminalisierung des Eingriffs noch vor der Bundestagswahl abgestimmt wird.

Damit gelten die Regelungen des Kompromisses beim Abtreibungsrecht von 1995 weiter. Demnach sind Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zwar nicht legal, bleiben aber, sofern die Betroffene zuvor einen verpflichtenden Beratungstermin wahrgenommen hat, straffrei für sie selbst und ihre Ärzt*innen. Für ostdeutsche Frauen war diese Regelung eine erhebliche Verschlechterung, denn bis dahin galt für sie noch die sogenannte Fristenregelung der DDR. Danach war der Eingriff bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vollständig legal.

Eine ähnliche Regelung strebten 328 Abgeordnete von Grünen, SPD und Die Linke an, die im November einen entsprechenden Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht und einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt hatten. Er sah vor, dass es weiter eine Beratungspflicht geben sollte, aber keine dreitägige Wartezeit nach dem Beratungstermin mehr. Außerdem sollte der Eingriff innerhalb der ersten zwölf Wochen über das Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt sein und nicht mehr über das Strafgesetzbuch.

»Dass Union und FDP nicht gewillt sind, übliche parlamentarische Vorgänge zu ermöglichen, ist der parlamentarischen Praxis unseres hohen Hauses nicht würdig und ein fatales Signal für unsere Demokratie.«

Ulle Schauws (Grüne) und Carmen Wegge (SPD) Mitglieder des Bundestages

Damit sind sie nun gescheitert, die Streichung des Paragrafen 218 ist wieder in weite Ferne rückt. Denn die Unionsparteien lehnen sie explizit ab, und sie werden vermutlich aus der Wahl am 23. Februar als stärkste Kraft hervorgehen. Heidi Reichinnek, Ko-Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Bundestag, sagte am Dienstag in ihrer letzten Rede in dieser Legislatur: »Nach der Wahl wird’s hier düster, gerade für Frauenrechte. Meine letzten Worte hier: Paragraf 218 muss weg.«

Die Antragsteller*innen waren in ihrem Gesetzentwurf den Empfehlungen einer von der Ampel-Koalition eingesetzten Expertenkommission vom April 2024 gefolgt, um zu vermeiden, dass die neuen Regelungen vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden können. Der Rechtsausschuss des Bundestages entschied aber, keine Abstimmung darüber im Bundestag in der ablaufenden Legislatur zu ermöglichen.

Dafür wäre zuvor noch eine Sondersitzung des Ausschusses nötig gewesen, für die es keine Mehrheit gab. Der Gesetzentwurf sei »unvereinbar mit den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs festgelegt hat«, erklärte am Abend der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings.

Die Initiatorinnen des Gruppenantrags, Ulle Schauws (Grüne) und Carmen Wegge (SPD) zeigten sich enttäuscht. »Dass Union und FDP nicht gewillt sind, übliche parlamentarische Vorgänge zu ermöglichen, ist der parlamentarischen Praxis unseres hohen Hauses nicht würdig und ein fatales Signal für unsere Demokratie«, erklärten sie in einem gemeinsamen Statement.

In der dreistündigen Anhörung hatten Verfassungsrechtler, Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen zum Gesetzentwurf Stellung bezogen. Dabei wurde deutlich, wie weit die Positionen teils auch unter Experten derselben Disziplin auseinanderliegen. Insbesondere zur Verfassungsmäßigkeit einer Legalisierung und zur Frage, ob es tatsächlich größere Engpässe bei der medizinischen Versorgung ungewollt Schwangerer gibt, herrschte Uneinigkeit.

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Während etwa die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf argumentierte, dass die bisherigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts keiner Legalisierung im Wege stünden, sprach die Rechtswissenschaftlerin Frauke Rostalkski von einem »verfassungswidrigen« Vorgehen der Antragsinitiatoren. Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch warnte vor einem »Anzünden der Gesellschaft«, sollte es zu einer Legalisierung kommen.

Die Sexualwissenschaftlerin Rona Torenz wiederum warnte, dass die geltende gesetzliche Regelung die Stigmatisierung von Betroffenen wie auch der Ärzt*innen, die Abbrüche vornehmen, zementiere.

Sie wies auch darauf hin, dass Frauen oft dreistellige Summen für den Eingriff zahlen müssen. Eines der Ziele der Initiative der 328 Abgeordneten war es gewesen, Schwangerschaftsabbrüche künftig zur Standardleistung von Krankenkassen zu machen und Betroffene so zumindest finanziell zu entlasten. mit dpa

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