Palästina-Aktive vor Amtsgericht Berlin: »Nicht allein«

Ein Freispruch, eine Vertagung und Solidarität gibt es für Studentinnen, die ihre Uni besetzten

Nicht nur Repression, sondern auch Solidarität erfahren Aktivist*innen, die die HU im Mai 2024 für zwei Tage besetzten.
Nicht nur Repression, sondern auch Solidarität erfahren Aktivist*innen, die die HU im Mai 2024 für zwei Tage besetzten.

»Du bist nicht allein«, hallt es vor dem Amtsgericht Tiergarten in der Turmstraße über den Asphalt. Rund 30 Aktivist*innen haben sich versammelt, um sich solidarisch zu zeigen: Zwei Studentinnen stehen am Dienstag vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, am 23. Mai 2024 Hausfriedensbruch an der Humboldt-Universität (HU) in Mitte begangen zu haben.

Eine Angeklagte wird direkt freigesprochen und für eine ist ein weiterer Prozesstag angesetzt. Beide beteiligten sich an der Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der HU. Sie organisierten Diskussionsrunden mit Wissenschaftler*innen und eine Bibliothek mit antikolonialer Literatur. Die Besetzung war von HU-Präsidentin Julia von Blumenthal für zwei Tage genehmigt worden – sie beteiligte sich auch an einem Podium, das währenddessen stattfand.

Am Dienstag steht die Politik-Studentin Amina Été* vor Gericht. Ihre Stellungnahme liest sie souverän unter Beifall vor. Darin wiederholt sie die Forderungen, die die Aktivist*innen an ihre Uni gestellt hatten. Sie forderten die HU auf, »alle in ihrer Macht stehenden Mittel« zu nutzen, um den »Genozid in Gaza« zu beenden. Die HU solle Israel kulturell und akademisch boykottieren, die akademische Freiheit schützen sowie die Repression gegen Student*innen beenden. Außerdem forderten sie die Uni auf, das koloniale Erbe Deutschlands »als Ursache für die gegenwärtige Mitschuld am Genozid« anzuerkennen.

Die Aktivist*innen hinterließen Slogans wie »Yallah Intifada – Widerstand ist legitim« und das umstrittene rote Dreieck an den Wänden der Uni, auch jüdische Student*innen beteiligten sich. Alsbald nach ihrem offiziellen Ende wurde die Besetzung gewaltvoll von der Polizei geräumt. Das sorgte für viel Kritik – auch von Anwält*innen, die die Räumung durch die Polizei als »brutal« und »rechtsstaatswidrig« kritisierten.

Ein Redner auf der Kundgebung vor dem Amtsgericht Tiergarten spricht über die Folgen der Repression für die palästinasolidarische Bewegung. Von dieser würden auch Streikende im Arbeitskampf und Antifaschist*innen aller Strömungen betroffen sein, wenn man sich ihr nicht entgegenstelle, sagt er.

Eine Polizistin sagte vor Gericht aus, sich nicht erinnern zu können, ob die Angeklagte zu der Gruppe der Aktivist*innen gehört habe, die das HU-Gebäude direkt nach Aufforderung der Polizei verließ, oder ob sie zu denen gehörte, die sich zunächst auf den Boden niederließen. Unabhängig davon, wie sich die Besetzer*innen verhielten: Alle seien kontrolliert worden. Sie sagte außerdem, dass die Besetzer*innen »nicht ohne Weiteres« das Gebäude hätten verlassen können, weil »überall« Polizei gewesen war.

Im Fall von Été ist nicht klar, ob sie wie viele Student*innen vor ihr freigesprochen wird oder ob sie verurteilt werden könnte. Ihr verteidigender Anwalt Yaşar Ohle beantragte eine Einstellung des Verfahrens. Er hat den Eindruck, dass es dem Gericht darum geht, Argumente für eine Unterscheidung zwischen den Besetzer*innen zu finden, die direkt aufgestanden sind, und denen, die angesichts der Polizei-Blockade vor der Tür noch sitzengeblieben waren, wie er »nd« sagt. Deshalb sei eine Verurteilung nicht auszuschließen.

*Name von der Redaktion geändert.

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