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Berlinale: Was bisher geschah

Die Berlinale wird 75: Eine kleine Chronik der Festivalgeschichte

Ein Stuhl der leer blieb: 2011 durfte das Jurymitglied Jafar Panahi nicht aus dem Iran ausreisen. 2015 bekam er den Goldenen Bären für seinen Film »Taxi«, den er aus dem Land schmuggeln ließ.
Ein Stuhl der leer blieb: 2011 durfte das Jurymitglied Jafar Panahi nicht aus dem Iran ausreisen. 2015 bekam er den Goldenen Bären für seinen Film »Taxi«, den er aus dem Land schmuggeln ließ.

1951: Die ersten Internationalen Filmfestspiele Berlin finden statt – im Juni und vor allem in der Waldbühne. Auf Betreiben der US-amerikanischen und britischen Besatzungsmacht soll es ein Westberliner »Schaufenster der freien Welt« sein, das nach Ostberlin ausstrahlt. Erster Festivaldirektor ist Alfred Bauer. Er bleibt es bis 1976 und gilt als »unpolitischer« Filmhistoriker. Erst 2020 wird bekannt, dass er engagiert bei der Filmpolitik der Nazis mitgewirkt hatte. Das Publikum wählt den Disney-Film »Cinderella« zum besten Film.

1956: Die Berlinale wird zum A-Festival ernannt, was ihre Hauptkonkurrenten Cannes und Venedig schon sind. Nur dann darf eine Fachjury über die besten Filme abstimmen.

1958: »Wilde Erdbeeren« von Ingmar Bergmann gewinnt das Festival. Sidney Poitier startet seine Karriere mit einem Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller in »Flucht in Ketten«.

1959: Goldener Bär für »Schrei, wenn du kannst« von Claude Chabrol. Der erste Film der Nouvelle Vague in Berlin.

1960: Silberner Bär für »Außer Atem« von Jean-Luc Godard. Die deutsche Presse reagiert verständnislos und sieht darin eine »Auffordung zu Straftaten«.

1965: Die erste Berlinale mit Sektionen. Neben den Wettbewerb treten eine »Informationsschau« und für die Filmmesse eine »Repräsentationsschau«.

1967: Die Staaten des Realsozialismus werden erstmals eingeladen. Aber sie kommen nicht, denn die DDR war ausdrücklich ausgeschlossen.

1970: Skandal um »o.k.«, einen Film gegen den Vietnam-Krieg von Michael Verhoeven. Die Jury will den Film nicht zeigen, es kommt zu Protesten und zum Abbruch des Festivals.

1971: Die Kritiker werden ins Boot geholt: Für Autoren- und Dokumentarfilme wird die Sektion »Internationales Forum des Jungen Films« eingeführt, geleitet von Ulrich Gregor und Manfred Salzgeber.

1974: Zum ersten Mal darf ein sowjetischer Film im offiziellen Programm laufen: »S toboj i bes tebja – Mit dir und ohne dich« von Rodion Nachapetow.

1975: Erstmals nehmen Defa-Filme an der Berlinale teil.

1977: Der linksliberale Filmkritiker Wolf Donner wird Festivalpräsident.

1978: Erstmals findet die Berlinale im Winter statt. Und erstmals gibt es ein Programm für Kinder: »Kino für Leute ab sechs«.

1979: Wieder sorgt ein Film gegen den Vietnam-Krieg für Protest – diesmal von östlicher Seite. In Michael Ciminos »The Deer Hunter« werde der Kampf der Nordvietnamesen verunglimpft heißt es – Osteuropa zieht seine Filme zurück.

1980: Moritz de Hadeln wird Leiter der Berlinale und öffnet sie in Richtung Hollywood.

1982: Erster Goldener Bär für Rainer Werner Fassbinder, für »Die Sehnsucht der Veronika Voss«. Vier Monate später ist er tot.

1986: Das Bundesinnenministerium unter Friedrich Zimmermann (CSU) will den RAF-Prozess-Film »Stammheim« von Reinhard Hauff verhindern. Klappt aber nicht. Im Forum läuft »Shoa« von Claude Lanzmann. Die Sektion »Infoschau« wird in »Panorama« umbenannt.

1987: Perestroika: Bislang verbotene Filme aus der Sowjetunion laufen. »Tema« von Gleb Panfilow aus dem Jahr 1979 gewinnt den Goldenen Bären.

1990: Erste Berlinale für »für ganz Berlin«, mit den Ostberliner Kinos Kosmos, Colosseum und International.

2002: Ex-»Konkret«-Redakteur Dieter Kosslick wird Leiter, er denkt nicht nur bis Hollywood.

2003: Protest gegen den Irak-Krieg der USA von den US-Regisseuren Spike Lee, Martin Scorsese, Spike Jonze und Oliver Stone. Fidel Castro, über den Stone einen Dokumentarfilm gemacht hat, sagt seinen Besuch ab.

2004: Fatih Akins »Gegen die Wand« gewinnt den Goldenen Bären, skandalisiert von »Bild«, weil Hauptdarstellerin Sibel Kekilli in Pornos mitgespielt hatte.

2011: Der iranische Filmregisseur Jafar Panahi darf nicht in die Internationale Jury, weil der Iran, wo er Berufsverbot hat, ihn nicht ausreisen lässt.

2013: Erstmals verkauft die Berlinale mehr als 300 000 Eintrittskarten.

2015: Jafar Panahi bekommt den Goldenen Bären in Abwesenheit für »Taxi«, den er aus dem Iran schmuggeln konnte.

2020: Neues Leitungsduo: Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian.

2021: Pandemie. Es gibt wieder eine Berlinale im Sommer, nachdem es eine Online-Ausgabe im Winter gab.

2023: Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine werden russische Filme nicht augeschlossen, aber »überprüft«, wie staatlich sie seien. Ergebnis: nur einer darf laufen – »Zumich«, eine Koprodution Russland/Vereinigte Arabische Emirate.

2024: Das iranische Regime verbietet den Filmemachern Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, zur Berlinale zu fahren, wo ihr Film »My Favourite Cake« im Wettbewerb läuft. »No other Land« über ein Dorf im Westjordanland, das einem israelischen Militärübungsland weichen soll, gewinnt den Panorama-Publikumspreis. Die politische Dankesrede des palästinensisch-israelischen Regieduos Basel Adra und Yuval Abraham wird von Berliner Lokalpolitikern des Antisemitismus beschuldigt. Als der Film im Herbst in die Kinos kommt, ist davon in der Presse keine Rede mehr.

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