Das Geschäft der Polarisierung

Untersuchung des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt zu AfD-Erfolgen und Ressentiments

Konzert bei einer Kundgebung in Potsdam
Konzert bei einer Kundgebung in Potsdam

Es ist eine international verbreitete These, dass der Aufstieg ultrarechter Parteien mit der Verunglimpfung von gesellschaftlichen Minderheiten Hand in Hand geht. Erstmals wurde dies nun für Deutschland untersucht. Und tatsächlich: Je höher der Stimmenanteil der AfD in einer Region ist, desto ausgeprägter sind Spaltungen innerhalb der Gesellschaft, wie es in einer Untersuchung des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) heißt.

Das FGZ, das etwa 200 Wissenschaftler an bundesweit elf Standorten vernetzt, betreibt Grundlagenforschung zu Fragen der sozialen Kohäsion und sozialen Ungleichheit. Für die Studie analysierte das Forschungsteam Daten des German Social Cohesion Panel, einer repräsentativen Langzeitstudie mit knapp 15 000 Befragten, und verknüpfte diese mit den Bundestagswahlergebnissen von 2021 auf Wahlkreisebene. Die Daten zeichnen demnach »ein besorgniserregendes Bild«: Insbesondere gegenüber Minderheiten beziehungsweise benachteiligten Gruppen wie Muslimen, Migranten, Homosexuellen und Menschen mit geringer Bildung zeigt sich eine deutlich abnehmende Sympathie, je stärker die AfD regional ist. Weniger stark, aber ebenfalls vorhanden sind auch Sympathieunterschiede bei Ost- und Westdeutschen, Armen und Reichen sowie Stadt- und Landbevölkerung.

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»Unsere Analysen stützen die These, dass die AfD als Polarisierungsunternehmer agiert. Wir beobachten ein gesellschaftliches Klima der Abwertung und Spaltung«, erklärt Ko-Autor Nils Teichler vom Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen. Dies sei spezifisch für die AfD, heißt es weiter. Bei anderen Parteien lasse sich der Effekt nicht nachweisen. In Wahlkreisen mit hohen Stimmenanteilen der Grünen zeigten sich sogar gegenläufige Tendenzen.

Die Studie brachte auch einen überraschenden Befund: dass die Abwertung bestimmter Gruppen in AfD-starken Regionen »auch auf Menschen übergreift, die nicht die AfD wählen«, wie der Direktor des FGZ, der Soziologe Olaf Groh-Samberg, sagt. Daher stellt sich die Frage nach der Kausalität: Führt ein bestimmtes Klima zu höheren Wahlanteilen für die AfD oder schürt die AfD Ressentiments, um daraus politischen Profit zu ziehen? Die Daten der Studie erlauben dazu keine Aussagen. Die Forscher vermuten, dass sich beide Einflüsse wechselseitig verstärken.

Unumstritten ist, dass sich mit dem Aufstieg der AfD eine gruppenbezogene Spaltung normalisiert. Mit fatalen Folgen: »Ein Klima ausgeprägter gefühlsmäßiger Aufladung von Gruppenunterschieden erschwert das Verständnis für andere Perspektiven und vermindert die Sensibilität gegenüber Diskriminierung. Es wird schwieriger, pragmatische Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.«

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