Brandenburg bekommt eine SoKo gegen Betriebsratsfeinde

Das Behindern von Betriebsratsarbeit wird von der Staatsanwaltschaft künftig gebündelt verfolgt

Das Stören von Betriebsratsarbeit soll in den örtlichen Brandenburger Staatsanwaltschaften künftig gebündelt von Spezialabteilungen verfolgt werden.
Das Stören von Betriebsratsarbeit soll in den örtlichen Brandenburger Staatsanwaltschaften künftig gebündelt von Spezialabteilungen verfolgt werden.

Die Entwicklung von Betriebsräten zeigt seit vielen Jahren nur in eine Richtung: abwärts. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft gab es 2023 in sieben Prozent der Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten einen Betriebsrat. 1996 war noch in knapp jedem achten Betrieb ein Betriebsrat zu finden. Eine Teilerklärung für den kontinuierlichen Rückgang: Das Stören von Betriebsratsarbeit und das Unterbinden von Betriebsratsgründungen bleibt weitgehend straffrei. Vertreter*innen von Gewerkschaften und Politik fordern dementsprechend, das Strafrecht anzupassen. Doch die Ampel-Regierung hat eine geplante, grundlegende Änderung nicht mehr verabschiedet. Es steht nicht zu erwarten, dass eine künftige mutmaßlich schwarz-rote Koalition diesen Faden wieder aufnimmt.

Im von SPD und BSW regierten Brandenburg hingegen treibt man im Rahmen der eigenen Möglichkeiten auf Landesebene Verbesserungen zügig voran. Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz sollen von nun an gebündelt bei den örtlichen Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zusammenlaufen, teilte das Ministerium für Justiz am Montag mit. Das habe Justizminister Benjamin Grimm (SPD) per Erlass verfügt.

»Für die Behinderung der Wahlen und der Tätigkeit der Vertretungen der Arbeitnehmer ist in Brandenburg kein Raum.«

Benjamin Grimm (SPD) Justizminister

Die betriebliche Mitbestimmung sei ein unverzichtbarer Teil der Arbeitswelt. Die Betriebe müssten sich an die Mitbestimmungsgesetze halten, erklärte Grimm. Für die Behinderung der Wahlen und der Tätigkeit der Vertretungen der Arbeitnehmer sei in Brandenburg kein Raum. »Mit der neuen Regelung stellt die Justiz eine effiziente und spezialisierte Verfahrensbearbeitung bei Straftaten sicher, die sich gegen die Arbeit der Betriebsräte richte«, teilte der Minister weiter mit. Der jetzige Schritt sei ein wichtiger, um Arbeitnehmervertretungen besser vor rechtswidrigen Eingriffen zu schützen.

Laut Mitteilung des Justizministeriums würden die Verfahren nun von spezialisierten Dezernent*innen der Staatsanwaltschaften behandelt, die »über tiefgehende Fachkenntnisse verfügen und mit den Unternehmensverhältnissen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich bestens vertraut sind«.

Der Paragraf 119 des für Betriebsräte maßgebenden Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) stellt die Behinderung von Betriebsratsarbeit und Störung von Betriebsratsgründung unter Strafe. Das Höchststrafmaß beträgt ein Jahr Haft.

»Straftaten gegen die Betriebsverfassung auf eine neue Stufe der Aufmerksamkeit zu stellen, ist angebracht«, erklärte André von Ossowski, rechtspolitischer Sprecher der BSW-Fraktion im Landtag. Die Behinderung demokratischer Mitbestimmung und Einschüchterung von Betriebsräten sei nicht nur marginal, sondern leider weit verbreitet, führte von Ossowski aus.

Einer Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2023 ist zu entnehmen, dass insbesondere Neugründungen von Betriebsräten vom Arbeitgeber behindert werden. In 21,2 Prozent der Gründungen käme es zu Störungen. In wiederum 45 Prozent der gestörten Wahlvorgänge habe am Ende gar keine Wahl mehr stattgefunden. Das WSI bezieht sich dabei auf Fälle, die von hauptamtlichen Gewerkschafter*innen beobachtet wurden.

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Welchen Effekt die Zuweisung an spezifische Einheiten hat, ist unbelegt. In Berlin hat eine ähnliche, 2023 unter Rot-Grün-Rot eingeführte Regelung keine sichtbaren Ergebnisse hervorgebracht. Die Hoffnung, dass sich damit das Verfahrensaufkommen innerhalb der Staatsanwaltschaft erhöht, hat sich nicht erfüllt. Von 25 der in den letzten fünf Jahren eingeleiteten Verfahren, resultieren lediglich fünf aus den Jahren 2023 und 2024. Anklage wurde nur einmal, und zwar in einem Verfahren aus dem Jahr 2022 erhoben.

Dementsprechend sei es mit diesen begrenzten Maßnahmen nicht getan, erklärte Katja Karger, die als Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg den Schritt der Landesregierung begrüßte. Wichtig sei darüber hinaus, dass Verstöße gegen Paragraf 119 BetrVG als Offizialdelikt gewertet würden. Damit würde die Staatsanwaltschaft von Amts wegen die Verdachtsfälle verfolgen. »Bislang müssen Einzelpersonen eine Strafanzeige stellen – was aus Angst die wenigsten Betroffenen tun«, sagt Karger. Um einzelne Beschäftigte aus dem Visier zu nehmen, würde zudem ein Verbandsklagerecht helfen.

Karger regt einen Austausch mit Justizministerium und Staatsanwaltschaft an, wie bereits unterhalb der strafrechtsrelevanten Schwelle Mobbing, Behinderung und Einschüchterung geahndet werden könnten. Schließlich würden immer mehr Firmen spezialisierte Kanzleien engagieren, die am Rande der Legalität eine mitbestimmungsfeindliche Atmosphäre organisierten. »Schon auf dieser Ebene muss es rechtliche Mittel geben, um klarzustellen: Angriffe auf die Mitbestimmung und unsere Kolleginnen und Kollegen werden in keiner Weise toleriert«, schloss die Gewerkschafterin.

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