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Russland zwischen Stagnation und Trump-Boom

Die gesamtwirtschaftliche Lage in Russland ist angespannt

  • Roland Bathon
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor allem Rüstungsfirmen wie Uralwagonsawod halten die russische Wirtschaft am Laufen.
Vor allem Rüstungsfirmen wie Uralwagonsawod halten die russische Wirtschaft am Laufen.

Donald Trumps Charmeoffensive gegenüber Russland hat dort schon wirtschaftliche Auswirkungen. Die Aktienkurse an der Moskauer Börse stiegen innerhalb von zwei Monaten um rund 50 Prozent, der Rubel hat sich nach mehreren Schwächephasen stabilisiert. In der Wirtschaft gibt es Hoffnungen auf eine Rückkehr in das Swift-System, der gebeutelte Energieriese Gazprom träumt von einer Wiederaufnahme der Gaslieferungen gen Westen.

All das in einer Lage, die gesamtwirtschaftlich nicht gut ist. Nachdem man den westlichen Sanktionen bis 2024 durch eine boomende Rüstungswirtschaft noch erfolgreich trotzen konnte, kippte dann eine ganze Reihe von Indikatoren trotz Beschönigung der Regierung in eine negative Richtung. Die Moskauer »Nesawisimaja Gaseta« berichtete erst Anfang März von einem Niedergang des Wirtschaftslebens Richtung Stagnation. Die Industrieproduktion ging im Herbst stark zurück. »Die Politiker befürchten, dass die von ihnen organisierte ›Abkühlung der Wirtschaft‹ zu einem unkontrollierten Abschwung führen könnte«, schrieb die Zeitung.

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Zahlreiche Belege dafür wurden genannt: Die Wohnungsbaudarlehen gingen seit Jahresbeginn um 60 Prozent zurück, Privatkundenkredite um 47 Prozent. Die Autoindustrie bleibe zunehmend auf ihren Fahrzeugen sitzen, die Metallindustrie leide unter einem Rückgang der Inlandsnachfrage. Die wichtige Öl- und Gasförderung sei ebenfalls zurückgegangen. Dazu passt die Meldung, dass Indien seinen zuletzt gestiegenen Ölimport aus Russland aus politischen Gründen durch Einfuhren aus den USA ersetzen will.

Ähnliche Beobachtungen gibt es in weiteren Branchen. So spricht die Zeitung »Kommersant« von einer rückläufigen Weizenproduktion, die den Brotpreis nach oben treiben könnte, und von einem kräftigen Rückgang des Autoimports nach Russland im Februar um 73 Prozent aufgrund sinkender Nachfrage. Die Wirtschaftszeitung »Vedomosti« prognostiziert unter Berufung auf den Ökonomen Wladimir Bragin das Wirtschaftswachstum für 2025 auf null bis zwei Prozent.

Gegen düstere Prognosen haben sich viele Russen in den letzten Jahren ein recht dickes Fell zugelegt. Zwar blieb der 2022 vorhergesagte Niedergang der russischen Wirtschaft weitgehend aus, da immer neue Wege der Sanktionsumgehung gefunden wurden. Trotz eines vorübergehenden Knicks nach unten ist heute das Volumen der russischen Wirtschaft höher als vor dem Krieg. Der Wirtschaftsexperte Wassili Astrow spricht in diesem Zusammenhang von einer »erstaunlichen Widerstandsfähigkeit«.

Hat diese nach drei Jahren Krieg ihre Grenze erreicht und führt jetzt ausgerechnet ein US-Präsident Russland aus Stagnation oder gar Rezession? Experten äußern Zweifel: Der Politologe Andrej Kortunow vom Russischen Rat für Internationale Beziehungen glaubt, Trump biete in wirtschaftlicher Hinsicht mehr an, als er eigentlich zu bieten hat. »Der Handel zwischen Russland und der EU war schon immer deutlich größer als der zwischen Russland und den USA. Kein US-Präsident kann den europäischen Verbündeten einfach befehlen, ihre derzeitige Politik gegenüber Moskau völlig zu ändern.« Kortunow rechnet damit, dass die Sanktionen der EU noch lange in Kraft bleiben.

So ist es die Frage, ob vollmundige Versprechungen aus Washington in der russischen Wirtschaft mehr als ein Strohfeuer entzünden können. Probleme wie Arbeitskräftemangel, hohe Zinsen und die Abhängigkeit von Rohstoffpreisen bleiben. Dass kurzfristige Steigerungen von Aktienkursen noch keine gesamtwirtschaftliche Erholung bedeuten, die bei der Bevölkerung ankommt, ist nicht nur aus Russland bekannt. Vielmehr wird einiges davon abhängen, ob man beim Thema Ukraine insgesamt zu einem Kompromiss kommt, der nicht nur Trumps Umfeld, sondern auch andere wichtige Player überzeugt. Wobei der Kreml vor kurzfristigen Kurswechseln des neuen Herrn im Weißen Haus nicht sicher ist.

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