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Globaler Süden unter der Last der Kredite

Ein weltweites Bündnis fordert Schuldenerlasse für den Globalen Süden

Länder wie Sri Lanka sind sehr kritisch, also mit über 100 Prozent des BIP verschuldet.
Länder wie Sri Lanka sind sehr kritisch, also mit über 100 Prozent des BIP verschuldet.

Schulden muss man sich auch leisten können. Deutschland, dessen kommende Bundesregierung gerade die Begrenzung der Kreditaufnahme für Rüstungsausgaben aufgehoben und die Schuldenbremse für Investitionen in die Infrastruktur gelockert hat, kann sich ein Mehr an Krediten erlauben. Andere Länder, vor allem im Globalen Süden, können dies nicht.

Regierungen und Unternehmen haben weltweit im zurückliegenden Jahr rund 25 Billionen US-Dollar, umgerechnet mehr als 23 Billionen Euro, neu an den Finanzmärkten aufgenommen. Das sind zehn Billionen Dollar mehr als vor der Covid-Pandemie und das Dreifache des Betrages aus dem Jahr 2007, also vor der Finanzkrise.

Dies geht aus einer neuen Studie der Industriestaaten-Organisation OECD hervor (»Global Debt Report 2025: Financing Growth in a Challenging Debt Market Environment«). Die gesamte Verschuldung der Staaten in den OECD-Ländern beträgt nun 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist damit doppelt so hoch wie 2007. In Deutschland liegt der Wert bei 62 Prozent. In diesem Jahr werden die Schulden weiter zunehmen.

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Neben den steigenden Kreditkosten gibt es eine weitere unliebsame Nebenwirkung: Inflation. Die weltweit zunehmende Kreditaufnahme erhöht die Nachfrage nach Infrastruktur, was wiederum zu höheren Preisen führt und im Trend die Inflation befeuern kann.

Und das kostet. Trotz sinkender Leitzinsen – die meisten Zentralbanken hatten 2024 ihre Zinssätze gesenkt – stiegen die Anleiherenditen in mehreren Schlüsselmärkten. Da gleichzeitig die Verschuldung sowohl von Staaten als auch von Unternehmen zunahm, entstand eine knifflige Kombination aus höheren Kosten und höherer Verschuldung. »Dies birgt die Gefahr«, heißt es in der OECD-Studie, »dass die Kapazität für künftige Kreditaufnahmen in einer Zeit erheblichen Investitionsbedarfs eingeschränkt wird«.

Diese Gemengelage auf den weltweiten Finanzmärkten trifft Länder im Globalen Süden besonders hart. In der vergangenen Woche startete auch in Deutschland die weltweite Kampagne »Erlassjahr 2025«. Man wolle mit einer starken zivilgesellschaftlichen Stimme sprechen und 2025 zu einem Jahr der Schuldenstreichung machen, erklärt das Bündnis.

Das ungerechte Finanzsystem, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges gegen die Ukraine hätten dazu geführt, dass verschuldete Staaten so viel wie noch nie an ihre ausländischen Gläubiger zurückzahlen mussten. Zu diesem Schluss gelangt der von Erlassjahr.de und Misereor herausgegebene »Schuldenreport 2024«.

»Neue Staatsschulden müssen aufgenommen werden, um die alten abzubezahlen. Ein Teufelskreis.«

Klaus Schilder Misereor

Staatliche Sozialleistungen, Investitionen in die Infrastruktur oder Gelder zur Armutsbekämpfung würden massiv gekürzt, um den Schuldendienst zu bedienen. »Neue Staatsschulden müssen aufgenommen werden, um die alten abzubezahlen«, mahnt Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor. »Ein Teufelskreis.«

Durch Erlasse könnten hoch verschuldete Staaten wieder mehr Spielraum gewinnen. »An der Seite von Hunderten Organisationen weltweit appellieren wir an die internationale Gemeinschaft und speziell an die deutsche Bundesregierung, das Schuldenproblem endlich an der Wurzel zu packen«, sagt Kristina Rehbein, politische Koordinatorin bei Erlassjahr.de. Gleichzeitig fordern die Bürgerinitiativen, dem Globalen Süden mehr Mitspracherecht bei der Bewältigung der Schuldenlast zu geben. Entscheidungen müssten im Rahmen der Vereinten Nationen verhandelt werden und nicht in den Gläubiger-Clubs des Globalen Nordens.

130 von 152 untersuchten Staaten im Globalen Süden weisen eine mindestens »leicht kritische« Verschuldungssituation auf, 24 dieser Staaten sind »sehr kritisch« verschuldet (über 100 Prozent des BIP). Länder in der Schuldenfalle, wie Angola, Mongolei oder Tunesien, zahlen bis zur Hälfte ihrer Staatseinnahmen als Schuldendienst an Banken und öffentliche Gläubiger im Ausland.

Wie viele Entwicklungsökonomen fordert die Kampagne, für Staaten ein geordnetes Insolvenzverfahren zu schaffen, wie es im Unternehmensrecht üblich ist. Firmen – in Deutschland auch Privatpersonen – können sich unter bestimmten Bedingungen durch ein Insolvenzverfahren entschulden und gewissermaßen neu starten.

Die internationale Kampagne »Erlassjahr 2025 – Turn Debt into Hope« – was so viel heißt wie »Verwandelt Schulden in Hoffnung« – zielt politisch auf die vierte Entwicklungsfinanzierungskonferenz der Vereinten Nationen. Sie soll Ende Juni in Sevilla stattfinden. Die UN-Konferenz werde die Chance bieten, das globale Schuldenregime unter Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Entwicklungszielen zu reformieren, hofft Rehbein. Die Erlassjahr-Kampagne soll den Druck auf politische Entscheidungsträger verstärken, bis Anfang 2026 sollen weltweit Unterschriften gesammelt werden. In Deutschland soll es im Laufe des Jahres diverse Aktionen dazu geben.

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