Werbung

BVG-Verdi-Schlichtung: Unbefristeter Streik in Berlin abgewendet

BVG und Verdi vor Einigung, weitere Streiks sind womöglich vom Tisch

95,4 Prozent der Verdi-Mitglieder sprachen sich für einen unbefristeten Erzwingungsstreik aus. Dazu wird es nun wohl nicht kommen.
95,4 Prozent der Verdi-Mitglieder sprachen sich für einen unbefristeten Erzwingungsstreik aus. Dazu wird es nun wohl nicht kommen.

Wenn in einer Tarifrunde Gewerkschaft und Arbeitgeber gemeinsam Pressekonferenzen abhalten, gleichlautende Mitteilungen versenden und sich statt Vorwürfe an den Kopf zu werfen, zu öffentlichem Stillschweigen verabreden, dann dauert es meist nicht lang, bis aus den Verhandlungsräumen weißer Rauch aufsteigt. So geschehen nun auch im Tarifkonflikt bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Nachdem Verdi den Vorschlag des landeseigenen Verkehrsunternehmens nach einem Schlichtungsverfahren angenommen hatte, liegt nun ein Ergebnis auf dem Tisch, das den Arbeitskampf mit großer Wahrscheinlichkeit beenden dürfte.

Verdi hatte 2021 einen bis Ende 2024 laufenden Tarifvertrag abgeschlossen, der im Kern eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 37,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich beinhaltete. Lohnerhöhungen waren nur begrenzt vorgesehen. Aufgrund der Preisentwicklung galt es nun für die Gewerkschaft, die Reallohnverluste der vergangenen Jahre rückwirkend wieder einzufangen. Sie war daher mit hohen Forderungen angetreten, die sie auch früh mit Warnstreiks zu untermauern begann.

Die BVG ihrerseits sah sich mit einem Sparhaushalt des Landes Berlin – des alleinigen Anteilseigners – konfrontiert. So hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) schon vor Januar gedroht, dass ein zu hoher Abschluss, Einschränkungen beim Fahrangebot zur Folge haben werde. Die BVG sei Verdi nun bis an die »wirtschaftliche Grenze entgegengekommen – und teilweise darüber hinausgegangen«, sagte Personalvorständin Jenny Zeller am Montag bei der Vorstellung des Schlichtungsergebnisses. Angesichts der hohen wirtschaftlichen Belastung, die mit einem solchen Abschluss in »noch nie dagewesener Höhe« einhergehe, gelte es nun, »stabil und verantwortungsvoll zu managen«.

Verdi

BVG

Schlichtung

Grundgehalt

+ 750 €

+ 375 €

+ 430 €

Laufzeit

12 Monate

24 Monate

24 Monate

Fahrdienstzulage

+ 200 €

+ 125 €

+ 155 €

Wechselschichtzulage

+ 170 €

+ 95 €

+ 95 €

Schichtzulage

+ 125 €

+ 55 €

+ 55 €

Weihnachtsgeld

13. Gehalt

2100 €

2100 €

Einmalzahlung

1500 €

Verdi-Forderungen, das vierte BVG-Angebot und Schlichtungsempfehlung im Vergleich

Ob und wie lange sich die BVG damit ab 2026 »an die Spitze der deutschlandweiten Lohntabelle« setzen kann, wie es Zeller hervorhebt, hängt am Ende aber davon ab, welche Tarife die anderen öffentlichen Verkehrsunternehmen abschließen.

Unter dem Vorsitz von Matthias Platzeck (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) schlägt die Schlichtungskommission eine durchschnittliche Lohnsteigerung von 15,4 Prozent vor. Besonders die Fahrer*innen von Straßenbahnen, U-Bahnen und Bussen werden von der Schlichtungsempfehlung berücksichtigt. Ihr Gehalt soll um 20 Prozent steigen.

Das Schlichtungsergebnis liegt deutlich näher am letzten Angebot der BVG als an den Forderungen von Verdi (siehe Tabelle). Als weit entfernt von einer Lohnerhöhung, »die die extremen Preissteigerungen der vergangenen Jahre ausgleicht«, war das letzte Angebot der BVG von Verdi beschrieben worden. In der Folge erklärte die Gewerkschaft die Verhandlungen für gescheitert. Eine Urabstimmung zum unbefristeten Erzwingungsstreik wurde eingeleitet.

»Die Empfehlung bedeutet eine deutliche Lohnsteigerung.«

Jeremy Arndt Verdi-Verhandlungsführer

Dennoch, sagt Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt, bedeute die Empfehlung der Schlichtungskommission »eine deutliche Lohnsteigerung«. Vor dem Hintergrund des großen Aufholbedarfs sei diese auch bitter nötig gewesen. Positiv hervorzuheben seien die deutlichen Steigerungen bei den Zulagen, auch wenn, wie Arndt auf Nachfrage von »nd« mitteilt, die Dynamisierung der Zulagen nicht Teil der Schlichtungsempfehlung sei. Verdi hatte die Dynamisierung gefordert, damit sich Zulagen und Löhne künftig äquivalent zueinander erhöhen und nicht jeweils separat verhandelt werden müssen.

Mit Blick auf die Arbeitszeit bleibt die Empfehlung ambivalent. Einerseits wird die zuvor von 39 auf 37,5 Stunden abgesenkte Wochenarbeitszeit wieder nach oben geöffnet. So können die Mitarbeitenden bei entsprechend mehr Gehalt zur Regelarbeitszeit von 39 Stunden zurückkehren. Andererseits rät die Schlichtungskommission zu einem »neuen Modell zur Arbeitszeitsouveränität« ab 2027, das dann die 35-Stunden-Woche als Ausgangspunkt setzt. Davon ausgehend sollen die Beschäftigten ihre Arbeitszeit in einem zu definierenden Korridor – ob Woche, Monat oder Jahr – frei wählen können.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Das Schlichtungsergebnis wird nun beim nächsten Verhandlungstermin am 10. April von Verdi und der BVG beraten. Solange haben die Parteien sich zum Frieden und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sollten sich beide Seiten auf einen Tarifabschluss auf Basis der Schlichtung einigen, würden dann der BVG-Vorstand und die Verdi-Mitglieder befragt werden, bevor es zu einer Unterzeichnung des Tarifvertrags kommt.

Die Abstimmung zum unbefristeten Streik lief bei Verdi parallel zur Schlichtung. 95,4 Prozent der Mitglieder sprachen sich für einen Erzwingungsstreik aus, sofern die Schlichtung scheitert und man erneut mit dem letzten Angebot der BVG konfrontiert wäre. Eine Abstimmung des auf der Schlichtung basierenden Tarifergebnisses wäre auch eine erneute Abstimmung über einen unbefristeten Streik. Hier gilt satzungsgemäß eine 75-Prozent-Hürde, sprich: Drei Viertel der Mitglieder müssten das Tarifergebnis nun ablehnen. Das ist nahezu ausgeschlossen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.