Wieso Guttenberg?

»Akademie-Köpfe« am Gendarmenmarkt

Was hat Militär mit Geist zu tun? Nichts, möchte man meinen. Und ist umso neugieriger, was den Verteidigungsminister der Bundesrepublik in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) treibt, um deroselbst eine Ausstellung von »Akademie-Köpfen« zu eröffnen. Akademiepräsident Günter Stock ließ die Gäste nicht lange im Ungewissen, offenbarte gleich zu Beginn der Vernissage, weshalb er den »Oberbefehlshaber« Deutschlands in den Tempel des Wissens und der Weisheit gebeten hatte:

Stephan Klenner-Otto, der die Porträts der berühmten Akademiemitglieder von Gottfried Wilhelm Leibniz, dem Begründer dieser Forschungseinrichtung, über Alexander von Humboldt bis Albert Einstein schuf, ist ein Oberfranke wie Guttenberg. Entstammt Letzterer einem 1158 erstmals urkundlich erwähnten fränkischen Adelsgeschlecht aus dem Kreis Kulmbach, so ist der andere 1959 in eben jenem Kulmbach geboren. In der Provinz kennt man sich. Guttenberg gestattete sich denn auch, den Landsmann zu duzen, der allerdings das Siezen bevorzugte. Es liegen Welten zwischen beiden. Was den Minister, der um Volksnähe wirbt, nicht anficht. Er betonte, Stocks einleitende Worte ergänzend: Nicht nur die geografische, sondern auch »Herzensnähe« seien es gewesen, weshalb er das Angebot gern wahrgenommen habe, an diesem Montagnachmittag in das Headquarter der Wissenschaft am Berliner Gendarmenmarkt zu eilen. Es sei »keine Koketterie«, sich in einem kultur- und geistvollem Kreis zu zeigen, versicherte er. Er freue sich zudem, einmal »dem üblichen Zirkus der Politik entfliehen zu können«.

Tatsächlich ließ sich das Kabinettsmitglied Zeit beim Rundgang, exakter: beim Gang treppab. Die Grafiken von Klenner-Otto, der sein Handwerk bei seinem Nachbarn, dem fantastischen Realisten Caspar Walter Rauh, gelernt hatte, schmücken das prächtige Treppenhaus des Akademiegebäudes. Aufmerksam hörte sich Guttenberg die Kommentare von Stock zu diesem und jenem Gelehrten an und ließ sich vor dem einen oder anderen Bild die Intentionen des Künstlers erläutern. Begonnen hatte Klenner-Ottos Hinwendung zu großen Denkern und Schöpfern mit dem Althistoriker und Sturm- und Drang-Dichter Karl Philipp Moritz, Autor des ersten deutschen psychologischen Romans, »Anton Reiser«, und Mitglied der Akademie, als diese noch das Attribut »Preußische« trug; sein Werk wird in der BBAW gepflegt. Nach Porträts von Heinrich Heine und Simone de Beauvoir, Miguel de Cervantes und Heinrich Kleist, Johannes Brahms und Richard Wagner kam Klenner-Otto die Idee zu einer akademischen Ahnenreihe. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder sind Reproduktionen, »denn wir sind eine arme Akademie und können uns leider keine Originale leisten«, wie Stock klagte. Die Arbeiten des Meisters kosten ab 1200 Euro aufwärts, erfuhr ND vom Künstler.

Brennender interessierte die Abgesandte dieser Zeitung indes die Frage, wer von den Porträtierten denn Herrn Guttenberg am besten gefiele. Die Antwort überraschte: »Ernst Bloch.« Ein CSU-Politiker offenbart sich als Fan des Philosophen vom Prinzip Hoffnung – der ein bekennender Marxist war. Angesichts der gegenwärtigen Identitätskrise der Union – eröffnet dies Raum für neue, kühnste Spekulationen? Abb.: BBAW

Die Ausstellung im Akademiegebäude, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin, ist bis zum 15. 11., Mo.-Fr. von 9 bis 17 Uhr, zu besichtigen.

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