Aufklärer auf Achse
Der Schauspieler Rolf Becker warnt vor dem Zerfall demokratischer Werte
Rolf Becker ist ständig auf Achse. Das langjährige Ensemble-Mitglied des Deutschen Schauspielhauses, der »Hamburger Jedermann« im Speicherstadt-Freilufttheater, der Filmdarsteller aus »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« zählt zu den renommiertesten darstellenden Künstlern der Republik. Ob Gottfried Keller oder das Kommunistische Manifest − bei seinen Lesungen kann er stets mit vollen Häusern rechnen.
Der 81-jährige Schauspieler und Synchronsprecher will vor allem aufklären, erinnern - und warnen: Eben noch spricht er in einem Theater über Fritz Bauer und die Auschwitz-Prozesse, bald darauf schon auf einer internationalen Kundgebung in der KZ-Gedenkstätte Esterwegen. Mit seinem Kampf gegen das Vergessen versucht das Mitglied des Auschwitz-Komitees sein Publikum für besorgniserregende Entwicklungen der Gegenwart zu sensibilisieren: »Engagement gegen den Rechtstrend in unserem Land ist heute notwendiger denn je. Dass sich immer mehr Menschen nicht mehr in der Öffentlichkeit kritisch äußern, sich abschotten, um dieser Gefahr nicht begegnen zu müssen, drückt eine Stimmung aus, die ich aus meiner Kindheit in Nazi-Deutschland kenne«, sagt Becker. »Der zunehmende Zerfall der demokratischen Werte zeigt uns: es ist fünf vor zwölf.«
Becker weiß, wovon er spricht. Seine Biografie ist geprägt von einer Zeitzeugenschaft des Leids und der Not, die der NS-Faschismus verursacht hatte: Im Alter von acht Jahren verlor der gebürtige Leipziger seinen Vater. Der Wehrmachtsoffizier fiel im Zweiten Weltkrieg. Seine Jugend verbrachte Becker in der mehr als zur Hälfte zerstörten Hansestadt Bremen.
Das schlimmste Nazi-Verbrechen, der Holocaust an den Juden und anderen Minderheiten, sollte Becker nie mehr loslassen: »Wir müssen unser Denken und Handeln so einrichten, dass Auschwitz sich nicht wiederholt und nichts Ähnliches geschieht«, paraphrasiert er den »neuen kategorischen Imperativ«, den Hitler laut dem Philosophen Theodor W. Adorno der Menschheit aufgezwungen hat. Er wurde zum Leitmotiv des Schauspielers und bedeute weit mehr, als gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einzutreten, betont Becker. Die Konzentrationslager, in denen durch inhumanste Bedingungen der »höchste Grad der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen« erreicht worden sei, seien ein Auswuchs unserer immer neue Katastrophen verursachenden Wirtschaftsweise gewesen.
Auschwitz, so Becker weiter, wäre ohne einen rücksichtslosen Eroberungskrieg nicht möglich gewesen. Daher sei die von Holocaust-Überlebenden und der Friedensbewegung erhobene Forderung »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!« unteilbar und müsse einvernehmliche Praxis unserer Gesellschaft werden.
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