Der Raps ist das »Sorgenkind«
Erntebilanz des Bauernverbandes: Sechs Prozent weniger Getreide als im langjährigen Mittel
Lange hat es gedauert, doch allmählich gibt es auch vom Deutschen Bauernverband (DBV) neue Töne mit Blick auf die Erderwärmung. Die Landwirte spürten die Klimaveränderungen nun »schon im dritten Jahr«, sagt Verbandschef Joachim Rukwied. Sie hätten 2019 eine »leicht unterdurchschnittliche« Getreideernte eingefahren.
Der DBV veröffentlichte am Freitag erste Zahlen zur Ernte. Demnach fuhren die hiesigen Landwirte in diesem Jahr eine Getreideernte von 45 Millionen Tonnen ein. Gegenüber der durchschnittlichen Erntemenge der Jahre 2013 bis 2017 entspricht dies einer um 2,9 Millionen Tonnen bzw. sechs Prozent geringeren Menge. Ähnlich rückläufig war der Durchschnittsertrag je Hektar.
Die Zahlen beruhen auf Daten der Landesbauernverbände. Das Bundeslandwirtschaftsministerium fühlte sich berufen, darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um Prognosen auf Grundlage von Meinungsbildern handle. Belastbare Zahlen auf Basis amtlicher Erhebungen auf Grundlage konkreter Druschergebnisse stelle die Regierung am kommenden Donnerstag im »Erntebericht 2019« vor.
An der Tendenz freilich dürfte sich nichts ändern. Die Landwirtschaft ist nun mal besonders vom Klimawandel betroffen. Und die Trockenheit hat sich seit dem Dürrejahr 2018 nicht gebessert, denn die Regenfälle konnten die Bodenwasservorräte vielerorts nicht auffüllen. Auch starke Wetterumschläge machten der Landwirtschaft zu schaffen. »In manchen Regionen müssen Betriebe erneut eine miserable Ernte verkraften«, sagt Rukwied. »Erschwerend kommt dort für die tierhaltenden Betriebe das wiederholt geringe Grundfutteraufkommen hinzu.«
Das »Sorgenkind« ist für den Bauernpräsidenten aber nicht ein Getreide, sondern eine andere Ackerpflanze: der für die Fruchtfolge wichtige Raps, Deutschlands Ölpflanze Nummer eins. Beim Winterraps betrug die Ernte rund 2,8 Millionen Tonnen, etwa halb so viel wie im Durchschnitt 2013-2017. Auch ist die Anbaufläche massiv gesunken: von 1,35 Millionen auf 857 500 Hektar. Für den DBV eine Folge des Dürresommers 2018, denn die anhaltende Trockenheit machte die Aussaat vielerorts zwecklos. Der im Vegetationsverlauf oft aufgetretene hohe Schädlingsbefall reduzierte zudem die Erträge. Für die bevorstehende Aussaat sei baldiger Regen dringend nötig, sagt Rukwied.
Und so gestaltet sich nach DBV-Angaben die wirtschaftliche Situation für viele Agrarbetriebe »weiterhin schwierig«. Die regional aufgetretenen erneuten Ernteeinbußen bei Getreide wie Raps fielen zusammen mit einem seit Monaten rückläufigen Niveau der Erzeugerpreise. Mit einer Trendwende sei angesichts der komfortablen europäischen und weltweiten Versorgungslage nicht zu rechnen. Ähnlich bei Raps, wo die Nachfrage als Rohstoff für alternative Treibstoffe frühere Erwartungen bei weitem nicht erfüllt hat.
Auch für den Obst-, Gemüse- und Weinbau war 2019 laut dem Verband erneut »ein schwieriges Jahr mit extremen Herausforderungen bei extremen Witterungsverhältnissen«. Beim Gemüse etwa war es für das Wachstum teilweise zu heiß mit entsprechenden Ertragsrückgängen.
Auch für den DBV rückt das Klimathema also in den Vordergrund. Allerdings sieht der Lobbyverband die Landwirtschaft nicht als Mitverursacher, sondern ausschließlich als Opfer. Wegen zunehmender Wetterex-tremen, sagt Rukwied, sei es wichtig, hitzeresistentere Sorten anzubauen. Und mit Blick auf die Politik weist er darauf hin, dass es für einige Bauern »an die Existenz« gehe.
Ministerin Julia Klöckner (CDU) hingegen sieht auch die Landwirte in der Pflicht. Vermutlich wegen der koalitionsinternen Forderungen nach einer ressortübergreifenden Klimapolitik will sie noch dieses Jahr eine nationale Ackerbaustrategie vorstellen, die den Beitrag der Branche zum Klimaschutz erhöhen soll. Produktivität und Nachhaltigkeit würden eine zentrale Rolle spielen, um Artenvielfalt und gesunde Böden zu erhalten sowie die Klimabelastungen zu verringern, heißt es aus ihrem Ministerium. Für die Grünen eine überfällige Kehrtwende - sie möchten die Ackerbewirtschaftung ganz an die Ökosysteme anpassen. Oder wie es Fraktionschef Anton Hofreiter ausdrückt: »Die Milliardengelder, die in die Landwirtschaft fließen, müssen endlich zum Aufbau einer klimagerechten und stabilen Landwirtschaft genutzt werden.«
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